Alkoholsucht

Kalter Entzug oder warmer Entzug

Das Wichtigste in Kürze

  • Bei einem kalten Entzug handelt es sich um einen unbegleiteten, nicht medikamentös unterstützten Versuch, einen Alkoholentzug durchzuführen.
  • Betroffene müssen bei einem kalten Entzug mit starken, teilweise lebensbedrohlichen Entzugserscheinungen Die Abbruch- und Rückfallquote ist sehr hoch.
  • Ein warmer Entzug wird medizinisch-therapeutisch begleitet und medikamentös unterstützt. Die Nebenwirkungen sind schwächer, der Alkoholentzug wird insgesamt als sanfter wahrgenommen. Rückfall- und Abbruchquote sind dank Entwöhnung und Nachsorge deutlich geringer.

Kalter Entzug vs. warmer Entzug –
ein Unterschied, der Leben retten kann

Viele Alkoholiker, die mit dem Trinken aufhören möchten, haben die Wahl zwischen einem kalten Entzug und einem warmen Entzug. Auf den ersten Blick scheinen beide Varianten Vorteile zu bieten – bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass der kalte Entzug ein unnötiges Risiko darstellt. Was genau die beiden Entzugsmethoden unterscheidet und was Suchtkranke in diesem Zusammenhang wissen sollten, wird nachfolgend erklärt.

Was kennzeichnet einen kalten Entzug?

Bei einem kalten Entzug entscheiden sich die Betroffenen dafür, sich allein und ohne medizinisch-therapeutische Hilfe vom Alkohol zu lösen, indem sie von jetzt auf gleich mit dem Trinken aufhören. Das plötzliche Absetzen scheint besonders reizvoll zu sein, weil es eine schnelle und sogar spontan umsetzbare Lösung des Alkoholproblems in Aussicht stellt.

Tatsächlich suggerieren Filme und Erfahrungsberichte häufig, dass das abrupte Absetzen genauso wirkungsvoll wäre, wie eine professionelle Behandlung in einer Klinik, und dass jeder einen solchen Alkoholentzug durchführen könne. In Wahrheit birgt ein kalter Entzug jedoch enorme Risiken:

Alkohol Entzugserscheinungen: Frau mit Kopfschmerzen im Bett
Alkohol Entzugserscheinungen: Frau mit Kopfschmerzen im Bett
  • Lebensgefährliche Entzugserscheinungen
    • Der Entzug von Alkohol versetzt den Körper eines Suchtkranken in einen plötzlichen Ausnahmezustand, der zu einer Reihe von schweren Entzugserscheinungen führt. Typische Symptome sind unter anderem1:
      • Tremor
      • Blutdruck- und Pulsanstieg
      • Muskelschwäche
      • Kopfschmerzen
      • Magen-Darm-Beschwerden
      • starkes Schwitzen
      • Schlafstörungen
      • Unruhe
      • Angstattacken
      • depressive Verstimmungen

      Die meisten dieser Entzugserscheinungen klingen harmlos, können für die Betroffenen aber äußerst belastend sein. Zudem existiert eine Reihe von extrem schweren Entzugserscheinungen, bei denen die Symptome lebensgefährlich sein können. Dazu gehören unter anderem epileptische Anfälle (generalisierte Krampfanfälle), Halluzinationen und Wahnvorstellungen oder auch das Delirium tremens, das unbehandelt in bis zu 30 Prozent aller Fälle tödlich endet2.

  • Hohe Abbruchquote
    • Für alle, die sich fragen, ob sie einen Entzug warm oder kalt durchführen sollten, empfiehlt sich ein Blick auf die Abbruchquote. Das ist die Anzahl an Betroffenen, die einen Entzugsversuch vorzeitig abbricht und nicht zu Ende bringt, sondern stattdessen zum Alkoholkonsum zurückkehrt. Diese Abbruchquote ist beim kalten Entzug besonders hoch. Häufig halten die Betroffenen die belastenden Entzugserscheinungen nicht aus oder kommen nicht gegen das Verlangen nach dem Alkoholkonsum an. Besonders problematisch: Nach einem erfolglosen Entzugsversuch ist die Hemmschwelle, es wieder zu versuchen, sehr groß.
  • Fehlende Entwöhnung birgt hohe Rückfallgefahr
    • Die Alkoholabhängigkeit ist keine Erkrankung, die sich – etwa wie eine Erkältung – binnen kürzester Zeit entwickelt. Stattdessen bilden sich krankhafte Trinkgewohnheiten über Jahre hinweg aus und sind bei den Betroffenen so fest in den Alltag integriert, dass sie sich ein Leben ohne Alkohol gar nicht mehr vorstellen können.Umso wichtiger ist es, dass ein qualifizierter Entzug immer eine Entwöhnung inkludiert: Hier lernen die Suchtkranken Strategien, dank derer sie langfristig auf den Alkohol verzichten können, arbeiten Suchtursachen auf und lernen, Motivation und Lebensfreude in anderen Bereichen zu finden. Bei einem kalten Entzug fehlt die Phase der psychischen Entwöhnung, wodurch das Rückfallrisiko auch bei den Betroffenen, die es erfolgreich durch die Entgiftung in Eigenregie geschafft haben, permanent hoch ist. Die S3 Leitlinie Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen empfiehlt daher die qualifizierte Entzugsbehandlung aus körperlicher Entgiftung und psychischer Entwöhnung3.

Was kennzeichnet einen warmen Entzug?

Im Gegensatz zu einem kalten Entzug, bei dem suchtkranke Menschen versuchen, sich auf eigene Faust vom Alkohol zu lösen, ist der warme oder medikamentengestützte Entzug deutlich sanfter sowie nachhaltiger. Patienten entscheiden sich bei dieser Entzugsvariante dafür, unter medizinisch-therapeutischer Aufsicht zu entziehen. Das kann je nach individueller Voraussetzung vollstationär in einer Klinik, teilstationär in einer Tagesklinik oder ambulant zuhause erfolgen.

  • Geringe Entzugserscheinungen
    • Entzugserscheinungen werden bei einem warmen Entzug durch eine passende Medikation gelindert, wobei die verordneten Medikamente davon abhängig sind, ob die Entgiftung stationär oder ambulant erfolgt. Durch die Reduktion der psychischen und körperlichen Entzugserscheinungen mithilfe erprobter Medikamente wird der Entzug von den Betroffenen als deutlich sanfter und weniger belastend erlebt. In der Folge sinkt auch die Abbruchquote enorm – mehr Patienten halten die Entgiftung durch.
  • Gesundheitliche Komplikationen werden schnell erkannt und behandelt
    • In einem stationären Setting werden die Patienten während der ersten Tage der Entgiftung rund um die Uhr betreut. Dank der Überwachung der Vitalfunktionen sowie des psychischen Gesundheitszustandes können schwerwiegende Komplikationen, wie etwa ein Delirium tremens, schon vor der Entstehung verhindert bzw. umgehend mit den passenden Mitteln behandelt werden.
  • Angeschlossene psychische Entwöhnung
    • Viele Kliniken, die einen Alkoholentzug anbieten, arbeiten mit einem Konzept, das Entgiftung und Entwöhnung kombiniert. Während bei öffentlichen Krankenhäusern dazwischen oft mit Wartezeiten gerechnet werden muss, sind es vor allem Privatkliniken, die eine durchgehende Behandlung ermöglichen. Sind Entgiftung und Entwöhnung unmittelbar aneinandergekoppelt, dauert der Entzug insgesamt kürzer. Zudem sind die Abbruch- und Rückfallquoten geringer.

Wie lange dauert ein warmer oder ein kalter Entzug?

Wie lange ein kalter Alkoholentzug dauert, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Das liegt unter anderem daran, dass viele kalte Entzugsversuche abgebrochen oder zumindest unterbrochen werden. Dadurch verlängert sich die Dauer des gesamten Entzugs erheblich. Zudem werden viele Betroffene aufgrund der fehlenden Entwöhnung bereits nach kurzer Zeit wieder rückfällig.

Ein warmer Entzug bei Alkoholabhängigkeit dauert in der Regel 28 Tage – inklusive Entgiftung und Entwöhnung, wenn keine schwerwiegenden Begleiterkrankungen vorliegen. Hieran schließt sich noch eine ambulante Nachsorge an, um Rückfälle aktiv zu verhindern.

Wann ist ein kalter Entzug möglich?

Ein kalter Entzug kann nicht empfohlen werden. Das Risiko für gefährliche Entzugserscheinungen oder den frühzeitigen Abbruch ist schlicht zu groß. Wer den Weg in eine Klinik scheut, kann es alternativ mit einem ambulanten Alkoholentzug versuchen. Hierbei handelt es sich um einen Entzug, der zuhause in den eigenen vier Wänden, aber trotzdem mit ärztlicher Begleitung durchgeführt wird. Unter bestimmten Voraussetzungen kann diese Form des Entzugs für Betroffene eine sinnvolle Alternative zur (teil-)stationären Therapie in einer Suchtklinik sein.

Wann ist ein warmer Entzug sinnvoll?

Wer mit dem Trinken aufhören möchte, sollte sich keine Gedanken darüber machen, ob er sich für einen warmen oder kalten Entzug entscheidet. Denn Fakt ist: Der warme Entzug bietet für alle Suchtkranken die besten Aussichten auf einen möglichst schonenden Entzug ohne starke Nebenwirkungen bei geringer Abbruchquote.

Ob ein ambulanter Alkoholentzug oder eine qualifizierte Entzugstherapie in einer Klinik die bessere Wahl ist, hängt von verschiedenen individuellen Faktoren ab. Grundsätzlich fällt es den meisten Alkoholikern jedoch leichter, wenn sie sich in einer geschützten, neutralen Umgebung vom Alkohol lösen. In der erholsamen Atmosphäre einer Klinik können sie besser abschalten und loslassen. Zudem werden sie deutlich weniger in Versuchung geführt, den Entzugsversuch abzubrechen.

Angehörige von Suchtkranken: Selbsthilfegruppe
Angehörige von Suchtkranken: Selbsthilfegruppe

Wo finden Betroffene und Angehörige Hilfestellung für einen Entzug?

Auf dem Weg in ein neues Leben ohne Alkohol ist der eigene Hausarzt oft der erste Ansprechpartner. Dieser kennt nicht nur die persönliche Krankenhistorie, sondern kann – sofern keine schwerwiegenden Symptome zu erwarten sind – direkt einen ambulanten Alkoholentzug begleiten.

Alternativ finden Suchtkranke und Angehörige Hilfe bei Suchtberatungsstellen und Selbsthilfegruppen. Eine gute Option für alle, die sich für einen möglichst zeitnahen Alkoholentzug interessieren, sind private Entzugskliniken. Hier ist oft eine unbürokratische Aufnahme, teilweise sogar im intoxikierten Zustand, möglich.

Quellenliste

1 O’Malley, Gerald et al. „Alkoholvergiftung und -entzug“, MSD Manual Ausgabe für medizinische Fachkreise, https://www.msdmanuals.com/de-de/profi/spezielle-fachgebiete/freizeitdrogen-und-rauschmittel/alkoholvergiftung-und-entzug (Datum des Zugriffs: 27.04.2023)

2 Maschke M. et al. „Delir und Verwirrtheitszustände inklusive Alkoholentzugsdelir“, S1-Leitlinie, 2020, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. S. 9, Online: www.dgn.org/leitlinien (Datum des Zugriffs: 27.04.2023)

3 Kiefer, Hoffmann, Petersen, Batra (Hrsg.) “Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen”, Springer Verlag, Heidelberg, 2. Auflage 2022, Die Leitlinie ist auch online verfügbar bei der AWMF: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/076-001.html Zugriff am (Datum): 27.04.2023

4 Hintz, Thomas et al. „Qualifizierter ambulanter Alkoholentzug: Enge Kooperation zwischen Hausarzt und psychosozialer Beratungsstelle – Ergebnisse eines Modellprojekts“, In: PP 4, Ausgabe Juni 2005, Seite 272, https://www.aerzteblatt.de/archiv/47255/Qualifizierter-ambulanter-Alkoholentzug-Enge-Kooperation-zwischen-Hausarzt-und-psychosozialer-Beratungsstelle-Ergebnisse-eines-Modellprojektes  (Datum des Zugriffs: 27.04.2023)

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