Alkoholsucht

Alkoholentzug zu Hause

Alkoholentzug zu Hause – das Wichtigste in Kürze

  • Ausmaß und Folgen der Alkoholabhängigkeit werden häufig unterschätzt.
  • Kalter Entzug ohne ärztliche Begleitung birgt hohes Risiko für lebensgefährliche Entzugserscheinungen.
  • Ambulante Entgiftung ist für bestimmte Personengruppen möglich, erhöht jedoch die Rückfallgefahr.
  • Entwöhnung ist neben der Entgiftung ein wichtiger Schritt beim Alkoholentzug.
  • Im stationären Setting sind die meisten suchtkranken Patienten besser aufgehoben.
  • Lesezeit: 9 Minuten

Alkoholentzug zu Hause: Hohes Risiko und geringe Erfolgsaussichten

Alkoholsucht ist eine Krankheit, die hierzulande immer noch mit einer hohen Stigmatisierung einhergeht1. Deshalb scheuen sich viele Betroffene vor dem Gang zum Arzt oder in eine Entzugsklinik. Wird der Leidensdruck irgendwann zu groß, entschließen sie sich zu einem Alkoholentzug zu Hause – ein riskantes Unterfangen, das aufgrund der gravierenden Entzugserscheinungen schlimmstenfalls mit dem Leben bezahlt werden kann.

Die zahlreichen Risiken, die vor allem bei einem kalten Entzug ohne ärztliche oder medizinische Begleitung entstehen können, sind nicht nur für die Gesundheit der Betroffenen während der Entzugsphase gefährlich. Sie können auch schnell dazu führen, dass die Alkoholiker wieder rückfällig werden und erneut mit dem Trinken beginnen.

Alkoholentzug zu Hause: Mann sitzt alleine am Fenster
Alkoholentzug zu Hause: Mann sitzt alleine am Fenster

Warum entscheiden sich viele Alkoholiker für einen Alkoholentzug zu Hause?

Patienten, die regelmäßig zu viel Alkohol trinken und eine Sucht entwickelt haben, sehen sich nicht nur mit gesundheitlichen Problemen konfrontiert. Häufig treffen sie auf gesellschaftliche Kritik und Vorurteile, denn obwohl die Alkoholabhängigkeit bereits seit den 1960er Jahren als anerkannte Krankheit gilt, glauben viele Nicht-Betroffene noch immer, dass eine Alkoholsucht Ausdruck von Willens- oder Charakterschwäche sei. Deshalb trinken die meisten Suchtkranken heimlich und versuchen den Grad der eigenen Abhängigkeit so gut es geht zu verbergen.

  • Heimlicher Entzug aus Angst vor Stigmatisierung
    • Um sich nicht einmal vor einem Arzt, geschweige denn den Arbeitskollegen oder Freunden offenbaren zu müssen, entschließen sich nicht wenige „auf eigene Faust“ zu entziehen. So nehmen Sie sich beispielsweise an der Arbeit eine Woche Urlaub und versuchen von jetzt auf gleich komplett auf jeglichen Alkoholkonsum zu verzichten. Das scheint schließlich eine besonders unkomplizierte und schnelle Methode zu sein. Leider unterschätzen Suchtkranke, die diese Art der Entgiftung durchführen, das Ausmaß und die Folgen der körperlichen und psychischen Alkoholabhängigkeit und der Entgiftung oftmals gänzlich.
  • „Zeitmangel“ bzw. Verantwortungsgefühl für Angehörige
    • Betroffene Menschen, die ihre Alkoholabhängigkeit nicht in einer Klinik behandeln, sondern den Entzug lieber zu Hause durchführen möchten, haben hierfür unterschiedliche Gründe als Erklärung. So können oftmals nicht nur Scham und Angst vor der sozialen Ausgrenzung als Motivatoren für einen ambulanten Entzug identifiziert werden. Teilweise ist es den Suchtkranken schlichtweg nicht möglich, einen längeren Klinikaufenthalt anzutreten. Dazu gehören etwa Situationen, in denen kleine Kinder versorgt oder Angehörige gepflegt werden müssen.
  • Alltag erscheint noch bewältigbar – Angst vor Verlust von Bindungen
    • Zudem gibt es Alkoholabhängige, die zwar unter ihrem Alkoholproblem leiden, die Aufgaben des alltäglichen Lebens aber dennoch einigermaßen gut meistern, weil sie in ein stabiles Netz aus sozialen Bindungen und Verpflichtungen eingebunden sind. Fällt dieses während eines stationären Aufenthalts weg, macht dies vielen Betroffenen Angst.

Wie funktioniert die Entgiftung von Alkohol zu Hause?

zugleich. Vielen Suchtkranken fällt es deshalb schwer, überhaupt eine Motivation für einen Entzug aufzubringen. Nur wer tatsächlich keinen Alkohol mehr trinken und abstinent leben will, hat auf lange Sicht überhaupt eine Chance, der Abhängigkeit zu entkommen. Ist der Entschluss für einen Alkoholentzug zu Hause gefallen, stehen zwei Möglichkeiten zur Wahl: Ein kalter Entzug oder warmer Entzug.

Was ist ein kalter Entzug?

Der Begriff „kalter Entzug“ ist nicht nur Menschen bekannt, die an einer Suchterkrankung leiden. Hollywoodfilme und Romane greifen dieses Thema immer wieder auf. Es handelt sich hierbei um einen Entzug, der ohne die Betreuung durch einen Arzt sowie ohne abgestimmte Medikamente durchgeführt wird. Der Konsum von Alkohol wird völlig eingestellt und der Suchtkranke ist während der Entgiftung meist auf sich allein gestellt oder lässt sich durch Familienangehörige bzw. Freunde betreuen.
Bei dieser Variante eines Alkoholentzugs zu Hause muss der Betroffene mit der vollen Bandbreite an körperlichen und psychischen Entzugserscheinungen rechnen. Diese können lebensbedrohlich werden und bewirken in den meisten Fällen einen vorzeitigen Abbruch des Entzugsversuchs.

Körperliche Alkohol Entzugserscheinungen: Frau mit Übelkeit über Klo
Körperliche Alkohol Entzugserscheinungen: Frau mit Übelkeit über Klo

Welche Entzugserscheinungen treten bei einem kalten Alkoholentzug zu Hause auf?

Je länger und je stärker die psychische und körperliche Abhängigkeit vom Alkohol bereits andauert, umso gefährlicher kann ein kalter Alkoholentzug zu Hause ohne Medikamente sein. Körperliche und psychische Symptome sind hierbei gleichermaßen gravierend. Zu den körperlichen Nebenwirkungen, die der plötzliche Verzicht auf Alkohol und das Ende des Trinkens auslösen, gehören unter anderem2:

  • Starkes Schwitzen und Zittern
  • Kopfschmerzen
  • Magen-Darm-Beschwerden
  • Herz-Kreislauf-Beschwerden
  • Krampfanfälle

Insbesondere Herz-Kreislauf-Beschwerden und Krampfanfälle können schlimmstenfalls tödlich enden. Hinzu kommen viele psychische Nebenwirkungen wie Schlaflosigkeit, Angst- und Panikattacken, depressive Verstimmungen und Suizidgedanken. Eine besonders schwere Folge der Entgiftung ist die Entstehung eines Delirium tremens, welches zu einem hohen Prozentsatz tödlich endet3.

Was ist ein warmer Alkoholentzug zuhause?

Aus medizinischer Sicht kann man nur von einem kalten Entzug abraten, da dieser, wie oben aufgezeigt, tödlich enden kann. Teilweise wird ab und zu die Möglichkeit zu einem warmen Entzug im eigenen Haushalt angeboten – allerdings unter kompetenter ärztlicher Aufsicht und mithilfe von passenden Alkoholentzug-Medikamenten. Für diese Form des Entzugs müssen jedoch verschiedene Voraussetzungen gegeben sein4:

  • Begleitung durch einen suchtmedizinisch erfahrenen Arzt
  • Stabiles heimisches Umfeld (nicht alleinlebend)
  • Allgemein guter Gesundheitszustand
  • Ausreichendes Maß an Motivation
  • Lebensbedrohliche Entzugserscheinungen sind nicht zu erwarten
  • Einmal täglich ist Kontaktaufnahme zum Arzt möglich
  • Risiken eines betreuten Alkoholentzugs zu Hause
    • Da jeder Alkoholentzug zu einem Krampfanfall und zur Entstehung eines Delirs führen kann, ist aber auch das Entgiften zu Hause unter medizinischer Kontrolle nur bedingt zu empfehlen, da im Ernstfall Hilfe nicht schnell genug vor Ort ist. Stattdessen ist eine stationäre Behandlung die sicherste Entgiftungsalternative, weil die Eindämmung und Behandlung lebensgefährlicher Komplikationen dort am effektivsten und schnellsten erfolgt. Auch das Rückfallrisiko ist bei der stationären Behandlung geringer.
  • Medikamente können Entzugserscheinungen lindern
    • Dank medikamentöser Unterstützung können Ärzte die Nebenwirkungen der Entgiftung bei einem ambulanten Entzugsversuch minimieren. Clomethiazol gehört beispielsweise zu den Medikamenten, die bei einer stationären oder ambulanten Therapie eingesetzt werden und die Erregungszustände mildern können. Aber: Nicht alle Arzneimittel, die sich in einem stationären Setting bewährt haben, dürfen auch beim ambulanten Alkoholentzug zu Hause zum Einsatz kommen. Für die Patienten bedeutet dies, dass sie gegebenenfalls unangenehme Entzugserscheinungen aushalten müssen – das kann für viele ein Grund sein, den Entzugsversuch abzubrechen und rückfällig zu werden.

Welche Rolle spielt die psychische Entwöhnung beim ambulanten Alkoholentzug?

Ein anderes, häufig verbreitetes Problem ist die fehlende psychische Entwöhnung, die auf den körperlichen Entzug folgen sollte. So sind intensive psychotherapeutische Gespräche ein wesentlicher Bestandteil der Behandlung, können aber unter einer reinen hausärztlichen Betreuung nicht geleistet werden. Verzichten die Alkoholsüchtigen auf diese Komponente der Entzugsbehandlung, fällt es ihnen schwer, langfristig nicht in alte Trinkmuster zurückzufallen.

Welche Rolle spielt das Suchtgedächtnis im Hinblick auf die Abstinenz?

Eine fehlende Alkoholentwöhnung ist für Suchtkranke, die abstinent werden wollen, problematisch, weil sich durch die Alkoholabhängigkeit im Laufe der Zeit ein Suchtgedächtnis im Gehirn ausgebildet hat. Und dieses lässt sich kaum löschen5. Es sorgt dafür, dass selbst trockene Alkoholiker immer wieder mit dem Verlangen, Alkohol zu trinken, konfrontiert werden. Nur wenn sie Strategien kennen, dieses Verlangen zu überwinden, wird ihnen der Schritt in die dauerhafte Abstinenz langfristig gelingen. Diese neuen Verhaltensweisen müssen im Rahmen einer Therapie erlernt werden und können sich in der Regel nicht ohne professionelle Unterstützung beigebracht werden.

Warum ist ein stationärer Alkoholentzug die deutlich bessere Behandlungsalternative?

Alkoholiker, die ihr Leben wieder in den Griff bekommen wollen, müssen sich einer Sache klar sein: Dieses Ziel erreichen sie nur mit völligem Verzicht auf Alkohol – selbst geringste Mengen sind tabu. Dementsprechend kommen sie nicht umhin, ihr komplettes Leben zu verändern und mit alten Verhaltensmustern zu brechen. Dabei kommt es vor allem darauf an, dass sie neue Möglichkeiten aufgezeigt bekommen, wie sie mit Stress- oder Belastungssituationen umgehen können. Ebenso wichtig ist es, dass sie sich selbst und ihre eigenen Interessen wieder wahrnehmen lernen. In vielen Fällen müssen sie sich neu in das soziale Leben integrieren und dabei mögliche Rückfallrisiken umgehen.

 

  • Neue Verhaltensstrategien im Umgang mit Alkohol
    • Wird die körperliche Entgiftung allein und in den eigenen vier Wänden durchgeführt, wird ihnen dies höchst wahrscheinlich nicht gelingen. Den Alkoholkranken bleibt unklar, wie sie beispielsweise auf einer Party unter Freunden auf Alkohol verzichten, ohne sich dabei schlecht oder ins soziale Aus befördert zu fühlen. Sie wissen auch nicht, wie sie den Konsum von Alkohol unterlassen, wenn sie auf der Arbeit viel Stress haben und einfach nur Entspannung und Ruhe genießen wollen.
      Deshalb ist es bei der Behandlung einer Alkoholabhängigkeit wichtig, dass die Patienten auf allen Ebenen intensiv betreut werden. Eine ganzheitliche stationäre Therapie, bei der Entgiftung und Entwöhnung durchgeführt werden, erweist sich in der Regel als die beste Alternative. Hier können die Patienten lernen, auf Alkohol zu verzichten und die einmal erreichte Abstinenz dauerhaft zu bewahren.
  • Nachsorge für die Zeit nach dem Entzug
    • Selbst wenn Alkoholiker sich dazu entscheiden, einen Entzug in einer Klinik durchzuführen, heißt dies noch nicht, dass sie nach der Rückkehr in ihr Zuhause für immer geheilt sind. Im Gegenteil: Erst im Alltag werden viele Betroffene erneut mit Situationen oder Emotionen konfrontiert, die das Suchtverlangen triggern. Deshalb sollte noch während der stationären Behandlung ein individuelles Nachsorgekonzept erarbeitet werden. So wissen Betroffene auch nach der Entzugstherapie, an wen sie sich bei Fragen, Problemen oder Rückfällen wenden können.

Qualifizierte Suchtklinik: Nicht jedes Krankenhaus ist eine geeignete Entzugsklinik

Nicht alle Entzugskliniken ermöglichen diese Form des Alkoholentzugs. Die meisten öffentlichen Krankenhäuser bieten lediglich eine suchtmedizinische Station oder eine Suchtambulanz, auf der die Alkoholiker entgiften können und eine psychotherapeutische Erstversorgung genießen. Die Entwöhnung, die den Patienten für das Leben ohne Alkohol stabilisieren soll, findet oftmals erst einige Zeit später in einer Rehabilitationseinrichtung der Deutschen Rentenversicherung statt. Bessere Erfolgschancen und eine schnellere und intensivere Behandlung sind bei einem Entzug in einer privaten Entzugsklinik gegeben. So behandeln viele Einrichtungen, die professionelle Hilfe für an Alkoholismus leidende Menschen anbieten, die Alkoholkrankheit ganzheitlich und führen beide Entzugsphasen in einem einzigen Behandlungsschritt durch.

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Quellenliste

1 Schuster, Rilana et al. „Stigmatisierung Alkoholabhängiger: Einstellungen von Betroffenen während einer stationären Entzugsbehandlung, medizinischen Personals und Studierender“, In: SUCHT (2017), 63, pp. 261-268 https://doi.org/10.1024/0939-5911/a000502.https://econtent.hogrefe.com/doi/10.1024/0939-5911/a000502 (Datum des Zugriffs: 17.01.2023)

2 Soyka, Michael et al. „Alkoholismus – Missbrauch und Abhängigkeit“, 6., vollständig überarbeitete Auflage © 2008 Georg Thieme Verlag KG, S. 170, https://www.thieme-connect.de/products/ebooks/lookinside/10.1055/b-0034-34986# (Datum des Zugriffs: 17.01.2023)

3 Weiß, Maria „Delir“, Medical Tribune, https://www.medical-tribune.de/medizin-und-forschung/krankheitsbild/psychiatrie/delir (Datum des Zugriffs: 16.01.2023)

4 Federführende Fachgesellschaften: Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie e.V. (DG-SUCHT), Titel der Leitlinie: “Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen” Auflage/Version Datum: Dezember 2020, S. 74 ff. Verfügbar unter: Link zur Seite Der Leitlinie bei der AWMF: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/076-001.html. (Datum des Zugriffs: 06.01.2023) https://register.awmf.org/assets/guidelines/076-001l_S3-Screening-Diagnose-Behandlung-alkoholbezogene-Stoerungen_2021-02.pdf

5 Czajka, Stephanie „Das Suchtgedächtnis löschen“, In: PZ Pharmazeutische Zeitung, Ausgabe 16, 2022, https://www.pharmazeutische-zeitung.de/inhalt-16-2002/medizin3-16-2002/ (Datum des Zugriffs: 17.01.2023)