Wie funktioniert die Entzugstherapie bei einer Benzodiazepin-Abhängigkeit?
Kurzfristig eingenommen sind Benzodiazepine effektiv wirksame Arzneimittel, die Patienten mit psychischen Problemen dabei helfen können, wieder ein normales Leben zu führen. Gewöhnt sich der Körper jedoch an die Wirkung von Diazepam oder Lorazepam lässt die Wirkung meist nach, so dass der Patient die Dosis erhöhen muss und häufig in eine Abhängigkeit gerät. Sich aus dieser zu lösen, ist ein Prozess, der nach einer hohen Motivation und viel Durchhaltevermögen verlangt. Übrigens kommt es nicht nur auf die Höhe der Dosis, sondern vor allem auch auf die Einnahmelänge an. Bei einer dauerhaft eingenommenen kleineren Benzodiazepinmenge täglich spricht man von einer „low dose dependence“. Zu wissen, was während eines Benzodiazepinentzugs passiert, kann dabei helfen die nötige Motivation aufzubringen.
Phase 1: Motivationsentwicklung
Die erste Phase des Benzoentzugs beginnt bereits, bevor der Patient in der Klinik aufgenommen wird. Damit das Absetzen der Benzodiazepine langfristig überhaupt von Erfolg gekrönt sein kann, muss der Betroffene einsehen, dass sein Arzneimittelkonsum außer Kontrolle geraten ist und sich zu einem Problem ausgeweitet hat. Genauso wie bei Alkohol oder Drogen führt auch aus einer Medikamentensucht nur die vollständige Abstinenz. Gerade hiervor haben jedoch viele Patienten Angst. In der ersten Phase des Benzodiazepine-Entzugs geht es also darum, mittels Aufklärung die nötige Motivation für eine Therapie zu entwickeln. Ärzte, Psychotherapeuten sowie die Berater in Suchtberatungsstellen können dabei zwar helfen, der wichtigste Impuls muss jedoch immer vom Betroffenen selbst ausgehen.
Phase 2: Körperliche Entgiftung
Die zweite Phase des Entzugs von Benzodiazepinen beinhaltet die körperliche Entgiftung. Hierbei steht das bereits beschriebene Ausschleichen des Arzneimittels über eine Dosisreduktion im Fokus. Gegebenenfalls wird das betreffende Benzodiazepin durch ein Äquivalent mit kürzerer Halbwertszeit (zum Beispiel Oxazepam) oder besserer Dosierungsmöglichkeit ersetzt. Ziel ist es, den Wirkstoffspiegel trotz geringerer Dosis beim Absetzen auf einem konstanten Level zu halten und die Symptome eines Entzugssyndroms zu verringern. Dennoch ist die Entgiftung nicht zu unterschätzen. Schließlich sind Benzodiazepine die mit am schwierigsten zu entgiftenden Stoffe, weil sie noch sehr lange Entzugssymptome hervorrufen, auch noch nach der eigentlichen Entgiftungsphase. Häufig sind die Entzugssymptome ein Abbild der Symptome (z.B. Schlafstörungen und Ängste), wegen der man das Medikament ursprünglich eingenommen hat, oft nur stärker ausgeprägt.
Phase 3: Psychische Entwöhnung
Die Behandlung einer Suchterkrankung sollte immer ganzheitlich erfolgen, denn eine Abhängigkeit ist in den seltensten Fällen ein rein körperliches Phänomen. So geht die Suchmedizin davon aus, dass Abhängigkeitserkrankungen immer mehrere Ursachen haben. Diese aufzudecken und zu behandeln ist eine der wichtigsten Aufgaben in der psychischen Entwöhnung.
Gemeinsam mit einem Psychotherapeuten wird in einzel- und gruppentherapeutischen Sitzungen aber nicht nur Ursachenforschung betrieben. Es geht auch um den zukünftigen Umgang mit den Suchtauslösern und dem eigenen Verhalten. Indem sie neue Strategien entdecken und problematische Verhaltens- und Denkmuster durchbrechen, lernen die Suchtpatienten die Angst vor einem Leben ohne das Medikament abzubauen. Gleichzeitig sind die zugrundeliegenden psychischen Erkrankungen bzw. Störungen, derentwegen die psychoaktiven Arzneimittel überhaupt erst verschrieben wurden, ein wichtiges Thema der Behandlung. Diese werden therapiert und medizinisch behandelt, beispielsweise eine zugrunde liegende Depression.
Phase 4: Umfassende Nachsorge
Menschen, die damit aufhören möchten, Benzos zu nehmen und erfolgreich einen Benzodiazepine-Entzug in einer Klinik durchführen, brauchen für die anschließende Zeit vor allem ein stabiles Nachsorgekonzept, damit sie nicht wieder rückfällig werden. Wenn sie aus der Klinik entlassen werden und zurück nach Hause kehren, erfolgt schließlich zwangsläufig die Konfrontation mit vielen potenziell suchtauslösenden Faktoren. Um die Rückfallgefahr zu minimieren, sollten ambulante Angebote wie etwa eine Langzeittherapie bei einem suchtmedizinisch bewanderten Psychotherapeuten oder Selbsthilfegruppen genutzt werden. Ziel ist es ein weitreichendes Netzwerk zu schaffen, das dem Suchtpatienten in rückfallgefährdeten Situationen Rückhalt gibt.