Medikamentensucht

Tavor® ausschleichen

Tavor® ausschleichen schnell und einfach erklärt

  • Wird Tavor® ausgeschlichen, sinkt die Konzentration des Wirkstoffs nur langsam und der Stoffwechsel hat genügend Zeit, um auf die Verringerung des Wirkstoffs zu reagieren
  • Patienten, die einen Zeitraum von 2 Wochen nicht überschreiten, können das Medikament in vielen Fällen ohne größere Probleme absetzen
  • Grundsätzlich reagiert jeder Körper anders auf den Wirkstoff, so dass eine konkrete Anleitung zum Absetzen von Lorazepam nicht möglich ist
  • Prinzipiell gilt: Je länger Tavor® angewendet wurde, desto schwieriger und langwieriger wird das Absetzen des Wirkstoffs Lorazepam
  • Die Absetzerscheinungen und Nebenwirkungen können so schlimm sein, dass die Betroffenen buchstäblich in ein physisches und psychisches Loch stürzen und erneut zum Medikament greifen
  • Findet der Entzug von Lorazepam in einer Suchtklinik statt, erfolgt der Entzug über ein Entzugsschema, in dem die einzelnen Reduktionsschritte vorgegeben sind

Wird Tavor® nicht ausgeschlichen, sondern abrupt abgesetzt, kann es zu schlimmen Absetzerscheinungen, gefährlichen Krampfanfällen und Rückfällen kommen. Dennoch ist das Tavor®-Ausschleichen nicht immer einfach und mitunter mit vielen Stolpersteinen verbunden.

Die Tavor®-Einnahme so schonend wie möglich beenden

Das Medikament Tavor® enthält das Benzodiazepin Lorazepam, das von den Patienten in erster Linie wegen seiner angstlösenden (anxiolytischen) und beruhigenden (sedierenden) Wirkung geschätzt wird. Damit steht Lorazepam in einer gemeinsamen Reihe mit Benzodiazepinen wie Diazepam, Alprazolam, Clonazepam oder Oxazepam, die ebenfalls bei Angststörungen, Erregungszuständen und Schlafproblemen verordnet werden. Allen Benzos und den ihnen verwandten Z-Substanzen ist es gemein, dass sie aufgrund ihrer spezifischen Wirkung bei längerer Einnahme nicht abrupt abgesetzt (kalter Entzug) werden dürfen, sondern über einen längeren Zeitraum ausgeschlichen werden müssen.

Wie wirkt Tavor®?

Lorazepam und alle anderen Benzodiazepine wirken psychoaktiv, d. h. sie überwinden die Blut-Hirn-Schranke und beeinflussen die Konzentration der Botenstoffe im zentralen Nervensystem (ZNA). Im Vergleich zu anderen Medikamenten wirken sie – ähnlich wie Alkohol oder Drogen – direkt auf die menschliche Psyche ein, obwohl ihr Einsatz nicht zu Rauschzwecken erfolgt, sondern medizinisch indiziert ist. Daher werden Benzos auch als Psychopharmaka bezeichnet. Neben den Benzodiazepinen gibt es nur wenige weitere Arzneimittel, deren Wirkstoffe ebenfalls psychotrope Effekte erzielen und schleichend abgesetzt werden müssen. Dazu zählen u. a. die Z-Substanzen, die in der Regel als Schlafmittel verordnet werden und die Opiate / Opioide, die nach dem WHO-Stufenschema bei mittelschweren bis starken Schmerzen angewendet werden.

Weshalb sollte Tavor® ausgeschlichen werden?

Typisch für alle Benzodiazepine ist die Bindung an die inhibitorischen (hemmenden) GABA-A-Rezeptoren des Zentralnervensystems. Diese GABA-Rezeptoren sind ligandengesteuerte Chloridionenkanäle und werden durch das Andocken des Benzodiazepins mit Chlorid geflutet, was eine hemmende Wirkung auf die betreffende Nervenzelle hat. Je größer die Benzodiazepin-Konzentration im ZNS ist, desto größer ist also der beruhigende Effekt des Wirkstoffs. Wird Lorazepam abrupt abgesetzt, entfällt die dämpfende Wirkung innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums komplett, so dass das zentrale Nervensystem in einen Zustand der Übererregung gerät. Schließlich hat es durch die permanente Zufuhr des Benzodiazepins gewissermaßen „verlernt“, den körpereigenen, inhibitorischen Botenstoff Gamma-Aminobuttersäure (GABA) zu produzieren. Wird Tavor® hingegen ausgeschlichen, sinkt die Konzentration des Wirkstoffs nur langsam und der Neurotransmitter-Stoffwechsel hat genügend Zeit, um auf die Verringerung des Wirkstoffs zu reagieren und die Produktion von Gamma-Aminobuttersäure zu steigern.

Ab welcher Einnahmedauer muss Tavor® schleichend abgesetzt werden?

Um das Risiko einer Abhängigkeit so niedrig wie möglich zu halten, dürfen Tavor®-Tabletten und Tavor® Expidet nur maximal 2 Wochen am Stück eingenommen werden. Patienten, die diesen Zeitraum nicht überschreiten, können das Medikament in vielen Fällen ohne größere Probleme absetzen. Trotzdem empfiehlt es sich, das Arzneimittel etwas langsamer auszuschleichen als Medikamente, die nicht abhängig machen. So könnte bei einer mehrmaligen täglichen Anwendung von Lorazepam zunächst eine und dann zwei Einnahmen weggelassen werden. Bei einer mittleren Halbwertszeit (HWZ) von 10 bis 20 Stunden wäre somit immer noch eine gewisse Konzentration des Benzodiazepins im Blut enthalten, so dass der Wirkstoffspiegel nicht allzu abrupt abfällt.

Gibt es eine Anleitung, um Tavor® auszuschleichen?

Grundsätzlich reagiert jeder Körper allerdings anders auf den Wirkstoff, so dass eine konkrete Anleitung zum Absetzen von Lorazepam nicht möglich ist. Einige Tavor®-Patienten beschreiben zum Beispiel, dass sie bereits nach einer Einnahme von einer Woche von Lorazepam abhängig waren. Liegt eine Tavor®-Abhängigkeit vor, wird es selbst nach kurzer Einnahmezeit beim Konsumstopp zu Absetzerscheinungen kommen. In einem solchen Fall sollten Sie auf keinen Fall das Arzneimittel wieder in gewohnter Dosis einnehmen, sondern mit dem behandelnden Mediziner besprechen, wie Sie am besten beim Absetzen des Beruhigungsmittels vorgehen.

Wie lange sollte man Tavor® ausschleichen?

In vielen Fällen wird die hohe Suchtgefahr von Benzodiazepinen vom behandelnden Arzt nicht, oder nur unzureichend berücksichtigt, so dass es leider zu einer Benzodiazepin-Abhängigkeit kommt, die nur durch einen Benzodiazepine-Entzug behandelt werden kann. Prinzipiell gilt: Je länger Tavor® angewendet wurde, desto schwieriger und langwieriger wird das Absetzen des Wirkstoffs Lorazepam. Besonders bei älteren Patienten, die Tavor® jahrelang zur Bekämpfung von Schlafstörungen oder Depressionen eingenommen haben, kann es aufgrund des altersbedingten langsameren Stoffwechsels zu Wirkstoffdepots kommen, so dass die Konzentration von Lorazepam im Körper weitaus höher ist, als es die Tabletteneinnahme vermuten lässt. Auch die Frage nach der Länge des Absetzens / des Entzugs lässt sich deshalb nicht allgemein beantworten, sondern muss auf den Einzelfall zugeschnitten werden. Insgesamt muss jedoch von mehreren Wochen bis Monaten ausgegangen werden.

Was passiert, wenn man eigenständig das Medikament absetzt?

Obwohl es für viele Patienten schwierig ist, eine solch lange Entzugsdauer mit dem Alltag zu vereinen, muss nachdrücklich davor gewarnt werden, Tavor® ohne medizinische Begleitung abrupt abzusetzen. Schließlich können die Absetzerscheinungen und Nebenwirkungen so schlimm sein, dass die Betroffenen buchstäblich in ein physisches und psychisches Loch stürzen und erneut zum Medikament greifen. Die Motivation für einen erneuten Entzug schwindet durch eine solch negative Erfahrung meist gänzlich. Besonders ältere Patienten finden sich dann oft damit ab, nicht mehr von Lorazepam loszukommen und den Wirkstoff bis zum Lebensende einnehmen zu müssen.

Welche Kriterien spielen neben der langsamen Verringerung der Tavor®-Dosis eine Rolle?

Patienten, die Lorazepam oder andere Benzodiazepine einnehmen, leiden unter psychischen Erkrankungen wie Angst- und Schlafstörungen, Panikattacken, Depressionen oder innerer Unruhe. Das langsame Absetzen der Tabletten funktioniert daher in den allermeisten Fällen nicht ohne weitere, ganzheitliche Veränderungen. Wichtig ist es, die Grunderkrankung professionell zu behandeln, um eine erneute Bewältigung durch Tavor® zu verhindern. In den meisten Fällen umfasst die Behandlung eine medikamentöse Therapie mit nicht abhängig machenden Antidepressiva wie Citalopram oder Paroxetin und eine Psychotherapie zur Aufarbeitung der zugrundeliegenden Problematik. Bei Schlafproblemen empfiehlt sich zusätzlich das Erlernen einer besseren Schlafhygiene.

Kann Tavor® ambulant ausgeschlichen werden?

Bei einer relativ kurzen Einnahme und einer niedrigen Dosis des Arzneimittels kann Tavor® auch ambulant ausgeschlichen werden, vorausgesetzt der Patient verfügt über ein unterstützendes soziales Umfeld und besitzt die Bereitschaft, regelmäßige Kontrolltermine beim Arzt wahrzunehmen. Darüber hinaus ist es wichtig, sich durch eine ambulante Psychotherapie mit den Ursachen der Tablettensucht auseinanderzusetzen. Dazu gehören zum einen die Behandlung der Grunderkrankung und zum anderen das Hinterfragen der Konsummuster. Patienten, die zum Beispiel bereits in ihrer Kindheit gelernt haben, bei gesundheitlichen Problemen sofort zu einem Medikament zu greifen, müssen lernen, dass es andere, nicht medikamentöse Arten der Krankheitsbewältigung gibt. Diese können je nach Charakter und Persönlichkeit völlig unterschiedlich ausfallen. Wichtig ist nur, dass sie den psychischen Druck verringern und neue Lebensfreude vermitteln. In Frage kommen u.a. Entspannungs- und Achtsamkeitstechniken, Meditation, Wellness, Sport oder Kreativtherapien.

Welche Vorteile sprechen für einen stationären Lorazepam-Entzug?

Obwohl ein ambulanter Tavor®-Entzug vielen Patienten einfacher erscheint, bietet eine stationäre Behandlung zahlreiche Vorteile, die nicht von der Hand zu weisen sind. Aufgrund der permanenten ärztlichen Betreuung und Überwachung kann die Dosierung meist in größeren Schritten verringert werden, so dass das Ausschleichen von Tavor® deutlich schneller vonstatten geht. Auch die Entzugserscheinungen können intensiver durch andere oder stärkere Medikamente und begleitende Therapien behandelt werden. In privat geführten Suchtkliniken werden die Grunderkrankungen bereits während des Entzugs behandelt. Ebenso finden die Entwöhnung, d. h. die Auseinandersetzung mit den Suchtursachen, und eine Rückfallprävention direkt im Anschluss an die Entgiftung statt, so dass der Patient rundum stabilisiert in den Alltag entlassen wird und sich nur noch um eine ambulante Nachsorge bemühen muss. Bei der Wahl eines geeigneten Nachsorgetherapeuten und einer Selbsthilfegruppe sind die meisten Kliniken gerne behilflich.

Welche Symptome können beim Tavor®-Ausschleichen auftreten?

Obwohl das Ausschleichen von Tavor® Entzugssymptome verringert, lassen sich diese in der Regel nicht völlig vermeiden, sondern treten lediglich in abgeschwächter Form auf. Wie das Entzugssyndrom genau verläuft, hängt dabei von der Dosis, dem Lebensalter, der Einnahmedauer und der individuellen gesundheitlichen Konstitution ab. Das ICD-10 Diagnosemanual der WHO unterscheidet zwischen zwei unterschiedlichen Verläufen, dem Entzugssyndrom ohne Delir (F13.3) und dem Entzugssyndrom mit Delir (F13.4), was jedoch eher selten vorkommt. Während der Therapie können sowohl körperliche als auch psychische Absetzerscheinungen auftreten.

Körperliche Symptome

  • Magen-Darm-Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen und Verstopfung)
  • Kopfschmerzen und Muskelschmerzen
  • Zittern und verstärktes Schwitzen
  • Übersteigerte Sinneswahrnehmungen
  • Verstärkte Schmerzempfindungen
  • In seltenen Fällen epileptische Anfälle / Krampfanfälle

Psychische Symptome

  • Angst und Panikattacken
  • Depressionen
  • Schlafstörungen und Alpträume
  • Innere Unruhe
  • Halluzinationen und Aggressionen

Die psychischen Entzugssymptome sind den Indikationen, für die das Benzodiazepin ursprünglich verschrieben wurde, sehr ähnlich und werden häufig sogar noch stärker wahrgenommen als die initialen Beschwerden. Hier spricht man von einem Rebound-Phänomen.

Wie kann man Tavor® nach Plan ausschleichen?

Um Körper und Seele nicht unnötig durch starke Entzugserscheinungen unter Stress zu setzen, ist es sinnvoll, die Dosis nicht willkürlich zu reduzieren, sondern Tavor® nach Plan auszuschleichen. Findet der Entzug von Lorazepam in einer Suchtklinik statt, erfolgt der Entzug ohnehin über ein Entzugsschema, in dem die einzelnen Reduktionsschritte vorgegeben sind. Patienten, die das Medikament ambulant absetzen, sollten gemeinsam mit dem behandelnden Arzt eine Tabelle zum Ausschleichen von Tavor® erstellen, welche die unterschiedlichen Phasen und ihre Länge detailliert auflistet. Je nach Dosierung und Dauer der Einnahme haben die einzelnen Reduktions-Phasen ambulant meist eine Länge von ein bis zwei Wochen, in denen die täglich einzunehmende Dosis gleichbleibt. Auch die Einnahmezeiträume sind vorgegeben, z. B. morgens, mittags und abends. Ist eine Phase beendet, wird die Dosierung der nächsten Stufe angepasst. Im stationären Setting kann man schneller reduzieren, alle drei bis vier Tage.

Da die verschiedenen Benzodiazepine sehr unterschiedliche Halbwertszeiten haben, was den Entzug erschwert, wird oft auf das Präparat Oxazepam (mittlere HWZ) umgerechnet und dieses dann ausschleichend täglich in mehreren Einzelgaben gegeben. Das häufig verbreitete Diazepam ist aufgrund seiner langen Abbauzeit und den damit verbundenen Kumulativeffekten eher ungünstig für die Entgiftung und sollte vor allem bei älteren Menschen eher nicht angewendet werden.

Wie lassen sich die Entzugserscheinungen beim Ausschleichen von Tavor® reduzieren?

Patienten, die trotz des fraktionierten Entzugs bei der Behandlung ihrer Abhängigkeit an starken Entzugserscheinungen leiden, können diese durch begleitende Medikamente und Therapien lindern. Durch das bereits erwähnte Rebound-Phänomen wird sich bei vielen Abhängigen in erster Linie die Grunderkrankung verstärkt bemerkbar machen, d. h. die ursächliche Angststörung, Depression oder Schlafstörung.

Welche Medikamente können zum Ausschleichen von Tavor® angewendet werden?

Die am meisten zum Einsatz kommenden Medikamente sind daher Antidepressiva wie Citalopram, Escitalopram, Venlafaxin, Mirtazepin oder Sertralin. Diese Antidepressiva machen nicht abhängig und behandeln die Grunderkrankung. Patienten, die gut auf diese Medikation ansprechen, können diese in der Regel nach dem Tavor®-Entzug weiterführen. Zur Beruhigung und Schlafförderung können niedrigpotente Neuroleptika wie Pipamperon oder Quetiapin verordnet werden, die zugleich den Suchtdruck (Craving) lindern.

Körperliche Tavor®-Entzug-Symptome wie Übelkeit und Erbrechen, Tremor und Muskelzuckungen werden durch andere Medikamente wie Antiemetika oder Betablocker behandelt. Aber auch nicht medikamentöse Maßnahmen wie kreative Therapien, Sport, Entspannungstechniken oder Biofeedback wirken den Entzugssymptomen entgegen und stabilisieren den Patienten. Zuletzt ist eine Psychotherapie entscheidend, in der man sich die Ursachen und Entwicklung der Sucht anschaut und nach alternativen Strategien sucht. In einer professionellen Entwöhnungsbehandlung gehören all diese Therapieoptionen zur Behandlung.

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