Pregabalin-Abhängigkeit

Pregabalin-Abhängigkeit: alles Wichtige in 30 sec.

  • Pregabalin ist ein Arzneistoff, der bei neuropathischen Schmerzen, generalisierter Angststörung und Epilepsie verschrieben wird.
  • Der Stoff wirkt psychoaktiv, also im zentralen Nervensystem, und hemmt die Weiterleitung von Schmerz- und Stresssignalen.
  • Als Nebenwirkung kann Pregabalin eine euphorische Stimmung auslösen, weshalb Arzneimittel wie Lyrica® häufig als Rauschmittel missbraucht werden.
  • Eine Abhängigkeit kann bei bewusstem Missbrauch wie auch bei bestimmungsgemäßer Einnahme in der verordneten Dosis eintreten.
  • Suchtkranke können die Einnahme des Wirkstoffs nicht mehr kontrollieren, erhöhen oft eigenmächtig die Dosis und verspüren ein starkes Verlangen nach dem wiederkehrenden Konsum.
  • Liegt eine Pregabalin-Abhängigkeit vor, ist ein professioneller Entzug (Entgiftung + Entwöhnung + ambulante Nachsorge) angeraten.

Das unterschätzte Abhängigkeitspotenzial

Medikamente wie Lyrica®, die den Wirkstoff Pregabalin enthalten, galten lange Zeit als unbedenklich. Einige Jahre nach ihrer Zulassung in der EU häuften sich jedoch Berichte von Ärzten über Patienten, die eine Abhängigkeit entwickelt hatten.1 Gerade weil Pregabalin ein äußerst effizienter Wirkstoff zur Behandlung neuropathischer Schmerzen und generalisierter Angststörungen ist, sollten Patienten sich des Abhängigkeitspotenzials bewusst sein. Denn zu wissen, wie eine Abhängigkeit entsteht, kann helfen, frühzeitig gegenzusteuern und die Sucht zu überwinden.

Pregabalinabhängigkeit: Tabletten
Pregabalinabhängigkeit: Tabletten

Was ist eine Pregabalin-Abhängigkeit?

Eine Pregabalin-Abhängigkeit ist eine Erkrankung, die unter anderem durch das zwanghafte Verlangen nach der Einnahme des Wirkstoffs gekennzeichnet ist. Eine Abhängigkeit von Pregabalin kann sowohl bei Patienten entstehen, die das Medikament bestimmungsgemäß einnehmen, als auch bei Personen, die die Substanz bewusst missbräuchlich als Rauschmittel konsumieren. Menschen mit bereits vorhandener Suchthistorie sind besonders gefährdet.2

Wie entsteht eine Abhängigkeit von Pregabalin?

Pregabalin ist ein Arzneistoff, der bei neuropathischen Schmerzen und generalisierter Angststörung äußerst schnell umfassende Linderung verschaffen kann. Darüber hinaus werden Medikamente wie Lyrica® als Zusatztherapie bei Epilepsie eingesetzt.

Schmerzhemmende und euphorisierende Wirkung

Für die Entstehung einer etwaigen Abhängigkeit ist der Wirkmechanismus von Pregabalin entscheidend: Die Substanz wirkt im zentralen Nervensystem und hemmt die Ausschüttung diverser Stress- und Schmerzbotenstoffe. Dadurch werden nicht nur neuropathische Schmerzen und die Symptome einer Angststörung gelindert – als Nebenwirkung treten zudem euphorische Gefühle auf. Patienten fühlen sich plötzlich glücklicher, unbeschwerter und erleben ein regelrechtes „High“. Das Belohnungssystem im Gehirn wird aktiviert – und je häufiger die Einnahme erfolgt, umso mehr gewöhnt sich der Körper an die euphorisierende Wirkung.

Pregabalinabhängigkeit: Frau nimmt Tabletten ein
Pregabalinabhängigkeit: Frau nimmt Tabletten ein

Toleranzentwicklung bei längerfristiger Einnahme

Insbesondere Patienten mit neuropathischen Schmerzen nehmen Arzneimittel wie Lyrica® im Rahmen ihrer Therapie langfristig ein – in einer Dosis von bis zu 600 mg Pregabalin täglich. Dabei kann sich eine Toleranz gegenüber dem Wirkstoff ausbilden. Das bedeutet, dass die bisherige Dosis nicht mehr ausreicht, um die intendierte Wirkung zu verspüren. Die Folge ist eine zunehmende Dosissteigerung, wodurch sich die Abhängigkeit noch verfestigen kann. Auf diese Weise können Menschen von der kontrollierten Einnahme unverschuldet in eine Medikamentensucht rutschen.

Mischkonsum im Rahmen einer bestehenden Sucht

Eine andere Möglichkeit, wie eine Pregabalin- oder Lyrica®-Abhängigkeit entstehen kann, ist im von vornherein missbräuchlichen Konsum angelegt: Im medizinischen Kontext wird die euphorisierende Wirkung von Pregabalin als unerwünschte Nebenwirkung eingestuft – viele Konsumenten von Rauschmitteln haben es jedoch gerade darauf abgesehen. Sie nehmen Lyrica® und Co. nicht zur Behandlung von Krankheiten ein, sondern fokussieren sich lediglich auf den „High“-Effekt. Häufig werden dafür sogar unterschiedliche Drogen miteinander gemischt. Dadurch wird das Abhängigkeitspotenzial um ein Vielfaches vergrößert.

Woran erkennt man eine Lyrica®-Abhängigkeit?

Ob jemand vom Medikament Lyrica® oder vergleichbaren Arzneimitteln abhängig ist, lässt sich nach den Vorgaben des Diagnosemanuals ICD-10 bzw. dem am 01.01.2022 eingeführten ICD-11 anhand verschiedener Kriterien erkennen. Wichtig: Für eine Abhängigkeit müssen nicht alle Kriterien erfüllt sein. Allerdings sollten die Anzeichen über einen längeren Zeitraum bestehen, damit von einer Sucht ausgegangen werden kann.

Anzeichen für das Vorliegen einer Abhängigkeit

  • Dauerhaft anhaltendes Bedürfnis oder Verlangen, Lyrica®
  • Beginn, Menge und Dauer der Einnahme können nicht vollständig kontrolliert werden.
  • Bei verzögerter, verringerter oder ausbleibender Dosis setzen Entzugserscheinungen ein.
  • Die Dosierung muss regelmäßig erhöht werden, um die gewünschte Wirkung zu erleben (Toleranzentwicklung).
  • Andere Lebensbereiche werden der Medikamenteneinnahme untergeordnet.
  • Fortdauernde Einnahme trotz schädlicher Folgen (sozial, psychisch oder physisch).

Für die Diagnose einer Suchterkrankung muss eine festgelegte Anzahl von Kriterien erfüllt sein.2

Abhängigkeit entwickelt sich schleichend

Viele der obigen Merkmale entwickeln sich schleichend, weshalb sie vor allem von Patienten, die Lyrica® bestimmungsgemäß als Medikament verwenden, oft gar nicht bemerkt werden. Umso wichtiger ist ein reflektierter Umgang mit potenziell suchtauslösenden Medikamenten, bei dem Patienten sich regelmäßig mit dem Arzt austauschen, der die Arzneimittel verordnet.

Schnelle Abhängigkeit bei missbräuchlichem Konsum

Anders sieht es hingegen oft bei Personen aus, die Lyrica® und Co. von vornherein nicht bestimmungsgemäß einnehmen, sondern die Substanzen als Rauschmittel konsumieren: Hier stellen sich die Symptome einer Abhängigkeit, wegen der oft von vornherein erhöhten Dosierung und des vermehrt auftretenden Mischkonsums, meist schneller ein. Frühzeitig zu reagieren und dem Ganzen entgegenzuwirken, ist in solchen Fällen entscheidend. Denn gerade bei bewusstem Missbrauch dreht sich die Abwärtsspirale besonders schnell.

Welche Entzugserscheinungen verursacht eine Lyrica®-Abhängigkeit?

Wenn Patienten, die Medikamente mit Pregabalin einnehmen, das Gefühl haben, abhängig von diesem Wirkstoff zu sein, versuchen sie oftmals, das Mittel einfach abzusetzen. Dieser Schritt ist jedoch kontraproduktiv. Denn das zentrale Nervensystem ist bereits so stark auf die kontinuierliche Einnahme ausgerichtet, dass sogenannte Absetzerscheinungen entstehen können. Diese werden im allgemeinen Sprachgebrauch auch als Entzugserscheinungen bezeichnet.

Entzugserscheinungen Pregabalin

  • Schlafstörungen,
  • Übelkeit und Durchfall,
  • Schmerzen,
  • vermehrtes Schwitzen,
  • Angst und Depressionen,
  • schlimmstenfalls auch Epilepsie und Delir

Entzugserscheinungen stärker bei intensivem, langjährigem Konsum

Ob Entzugserscheinungen auftreten und wie stark diese ausfallen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Tendenziell gilt, dass die Nebenwirkungen des Absetzens umso schwerwiegender und zahlreicher sind, je länger Pregabalin eingenommen wurde und je höher die Dosierung war. Ist zuvor ein Missbrauch im Sinne eines Mischkonsums erfolgt, also wurde Pregabalin zur Rauscherzeugung absichtlich mit anderen Drogen kombiniert, können die Entzugserscheinungen noch stärker ausfallen.

Welche Folgen kann eine Abhängigkeit von Pregabalin auslösen?

Der kontinuierliche Missbrauch von Medikamenten – ob er nun wissentlich oder unbeabsichtigt erfolgt – kann auf Dauer zu schweren psychischen, physischen und sozialen Schäden führen. Körperliche Schäden durch die längerfristige Einnahme von Pregabalin sind wenig dokumentiert4.

Auf psychischer Ebene müssen Patienten jedoch mit Angststörungen, suizidalen Gedanken oder auch Depressionen rechnen. Durch die zunehmende Fokussierung der eigenen Lebenswelt auf die Medikamenteneinnahme können zudem Arbeitsleistung sowie Kontakte zu Familien und Freunden leiden. Menschen mit einer Medikamentensucht ziehen sich immer mehr zurück und landen nicht selten in der völligen sozialen Isolation.

Was soll man bei einem Verdacht auf eine Abhängigkeit von Lyrica® machen?

Wer befürchtet, von Medikamenten wie Lyrica® abhängig zu sein, sollte diese keinesfalls ohne Rücksprache mit einem Arzt sowie mit sofortiger Wirkung absetzen.

Kein Entzug ohne medizinische Begleitung

Der sogenannte „kalte Entzug“ ist für Körper und Psyche äußerst belastend und kann schwere Entzugserscheinungen hervorrufen. Um sich von den Nebenwirkungen des Entzugs zu befreien, geben viele Betroffene das Vorhaben praktisch umgehend wieder auf und greifen erneut zu Lyrica®. Dies erschwert einen erneuten Absetzversuch zu einem späteren Zeitpunkt. Eine Medikamentensucht ist ein ernstzunehmendes gesundheitliches Problem, das einer individuellen und professionellen Therapie bedarf.

Kompetente Ansprechpartner

Liegt der Verdacht auf eine Suchtproblematik vor, sollten Betroffene stattdessen das Gespräch mit ihrem Arzt suchen. Ob sie dafür den Mediziner auswählen, der die suchtauslösenden Arzneimittel verordnet hat, oder einen anderen Arzt des Vertrauens bevorzugen, bleibt jedem selbst überlassen. Unter Umständen können auch die Experten in einer Drogenberatungsstelle weiterhelfen. Alternativ stehen Suchtkliniken als Ansprechpartner zur Verfügung. Ziel einer ersten Beratung ist es, die individuelle Situation zu identifizieren und Möglichkeiten für eine gezielte Behandlung der Abhängigkeit zu skizzieren.

Wie sieht die Behandlung bei einer Abhängigkeit von Pregabalin aus?

Wie auch bei einer Abhängigkeit von Opioiden, Alkohol oder Benzodiazepinen, sollte die Behandlung der Pregabalin-Abhängigkeit schnellstmöglich erfolgen. Entscheidend ist hierbei eine individuelle Therapie, denn die persönliche Disposition des Patienten muss berücksichtigt werden.

 

Ambulanter Entzug

Falls lediglich eine schwach ausgebildete Form einer Suchterkrankung vorliegt, können Patienten einen ambulanten Entzug unter Aufsicht eines erfahrenen Arztes durchführen. Hierbei werden die suchtauslösenden Medikamente wie Lyrica® und Co. langsam ausgeschlichen. Das bedeutet, dass die Dosis schrittweise verringert wird. Dadurch lassen sich Entzugserscheinungen auf ein Minimum reduzieren. Betroffene sollten begleitend bzw. im Anschluss ein zusätzliches therapeutisches Angebot in Anspruch nehmen, um etwaige psychische Begleiterscheinungen der Erkrankung anzugehen.

Stationärer Entzug

In schweren Fällen – etwa bei lang andauernder Abhängigkeit im Hochdosisbereich oder bei bewusstem Missbrauch und Mischkonsum mit anderen Rauschmitteln ­– bietet sich eine stationäre Entzugstherapie an. Im Rahmen dieser Behandlung erfolgt zunächst das kontrollierte Absetzen der Medikamente. Etwaige Entzugserscheinungen sowie weitere Nebenwirkungen der Entgiftung werden durch eine alternative Medikation auf ein Minimum reduziert. Bei Menschen, die Lyrica® aufgrund von neuropathischen Schmerzen einnehmen, wird zudem ein passendes Alternativ-Analgetikum eingeführt.

Psychotherapeutische Unterstützung

Nach dem körperlichen Entzug sollte unbedingt eine psychische Entwöhnung stattfinden. Hierbei handelt es sich um eine im Idealfall stationär durchgeführte Therapie, in der die Betroffenen lernen, zukünftig ohne die Wirkung von Lyrica® und Co. durchs Leben zu gehen. Neben dem Erlernen neuer Verhaltensansätze geht es auch darum, die Suchtursachen zu ermitteln und aufzuarbeiten. Insbesondere bei Patienten, die Pregabalin wegen einer generalisierten Angststörung eingenommen haben, steht die Behandlung dieser Grunderkrankung im Fokus. Teilweise kann es empfehlenswert sein, die Familie in diesen Abschnitt der Behandlung einzubinden.

Nachsorge nach der Akutbehandlung

Im Anschluss an Entzug und Entwöhnung ist eine ambulante Nachsorge angeraten. Bei einem niedergelassenen Therapeuten oder Selbsthilfegruppen finden Betroffene jederzeit einen Ansprechpartner und können so auch auf potenzielle Rückfallgefahren umgehend reagieren.

Quellen:

1 Bundesärztekammer: „Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: Aus der UAW-Datenbank Abhängigkeitspotenzial von Pregabalin (Lyrica®)“. In: Dtsch Ärztebl 2011; Jg. 108(4). https://www.aerzteblatt.de/archiv/80585/Arzneimittelkommission-der-deutschen-Aerzteschaft-Aus-der-UAW-Datenbank-Abhaengigkeitspotenzial-von-Pregabalin-(Lyrica-) (Datum des Zugriffs 22.06.2022)

2 DHS – Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V.: „Abhängigkeit: Diagnosekriterien gemäß ICD-10“. https://www.medikamente-und-sucht.de/behandler-und-berater/medikamentensicherheit/missbrauch-und-abhaengigkeit/abhaengigkeit-diagnosekriterien.html (Datum des Zugriffs 22.06.2022)

Köberle, U., Stammschulte, T., Acquarone D., Bonnet, U.: „Abhängigkeitspotenzial von Pregabalin“. In: Arzneiverordnung in der Praxis, 2000, Bd. 47, Heft 1-2. https://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/AVP/Artikel/2020-1-2/062h/index.php (Datum des Zugriffs 22.06.2022)

4 DGPPN, DG Sucht: „S3-Leitlinie Medikamentenbezogene Störungen – Langfassung“, 1. Auflage 2020, S. 136, AWMF-Register-Nr.: 038-025. https://www.dgppn.de/_Resources/Persistent/9dd86f97183aae0e5e3258fcf2d9bfb53031feb6/038-025_medikamente_langfassung.pdf (Datum des Zugriffs 22.06.2022)