Begleiterkrankungen

ADHS und Sucht

Sucht und ADHS – das Wichtigste in Kürze

  • ADHS steht für die neuro-psychiatrische Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung.
  • Eine unbehandelte ADHS birgt ein höheres Risiko für eine Suchterkrankung.
  • Betroffene nutzen Rauschmittel oft als Selbstmedikation oder für Sensation Seeking.
  • Die Behandlung von ADHS und Sucht sollte integrativ
  • Entgiftung, Entwöhnung und Nachsorge sind essenzielle Bestandteile der Therapie.

Wie sind ADHS und Sucht definiert?

Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine neurobiologische Störung, die gekennzeichnet ist durch Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität. Die Symptome werden durch genetische und Umweltfaktoren beeinflusst und können unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Die Störung, manche sprechen diskriminierungsfreier von Neurodivergenz, zeigt sich bereits im Kindes- und Jugendalter und bleibt ein Leben lang bestehen, kann sich im Erwachsenenalter jedoch verändern.

Eine Sucht ist eine psychische Erkrankung, die gemeinhin auch als Abhängigkeit bezeichnet wird. Sie kann sich sowohl körperlich als auch psychisch manifestieren. Suchmittel sind Substanzen wie Alkohol, bestimmte Medikamente und illegale Drogen sowie nicht-stoffliche Dinge wie Computer- oder Glücksspiele. Der nachfolgende Beitrag stellt dar, in welchem Zusammenhang ADHS und stofflich gebundene Süchte stehen.

Wie häufig ist ADHS in Deutschland?

Laut Angaben des Robert Koch-Instituts leben rund 5 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland mit einer diagnostizierten ADHS. Hinweise auf ein Vorliegen der Störung gibt es bei weiteren 5 Prozent1. Die ADHS (nicht identisch mit ADS, ohne Hyperaktivität, dennoch oft synonym gebraucht) ist somit eine der am häufigsten diagnostizierten psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter2. Ungeachtet dessen bleibt die Erkrankung bei vielen Betroffenen unentdeckt.

Frau trinkt alleine
Frau trinkt alleine

Wie hängen ADHS und Sucht zusammen?

Längst nicht alle Patienten mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung werden adäquat behandelt. Das kann mit zunehmendem Lebensalter schwerwiegende Folgen haben. Eine der häufigsten Komorbiditäten im Zusammenhang mit ADHS sind Suchterkrankungen. Um zu verstehen, warum eine Suchtentwicklung bei Patienten mit ADHS vermehrt auftritt, muss zunächst ein genauerer Blick auf die Störung ADHS geworfen werden.

Was sind Symptome von ADHS?

ADHS führt bei Betroffenen zu einer ganzen Reihe sehr spezifischer Symptome. Trotzdem werden diese häufig nicht richtig zugeordnet und als individueller Charakter- oder Wesenszug missdeutet. Hinzu kommt, dass sich die Symptome im Laufe des Lebens verändern können, was die exakte Einordnung zusätzlich erschwert.

ADHS-Symptome in der Kindheit

  • Unaufmerksamkeit/Konzentrationsmangel
  • Impulsivität
  • Selbstunsicherheit
  • Hyperaktivität

ADHS-Symptome von Erwachsenen

Erwachsene neigen zu innerer Unruhe sowie einer gewissen Einschränkung in der Organisationsfähigkeit. Die Symptome sind für Patienten im Kindes- wie im Erwachsenenalter häufig sehr belastend – gleiches gilt für das soziale Umfeld. In der Familie treten nicht selten starke Spannungen auf, die das Verhalten der Betroffenen zusätzlich negativ beeinflussen.

ADHS und Sucht: Therapiegespräch
ADHS und Sucht: Therapiegespräch

Wie wird ADHS behandelt?

Eine adäquate Behandlung setzt sich aus mehreren Elementen zusammen, dazu gehört u. a. Psychoedukation, Psychotherapie und gegebenenfalls eine passende Medikation. Wichtig ist, dass die Therapie möglichst frühzeitig einsetzt, um sozialer Ausgrenzung und Versagensgefühlen vorzubeugen. Durch eine individuell abgestimmte Therapie können die Symptome nicht völlig beseitigt, aber doch signifikant abgemildert werden, sodass für die Betroffenen und deren Umfeld eine Entlastung erreicht werden kann.

Was passiert, wenn ADHS nicht ausreichend behandelt wird?

Patienten, deren ADHS nicht ausreichend behandelt bzw. gar nicht erst diagnostiziert wird, leben mit einem erhöhten Risiko schwerwiegender Folgeerkrankungen. Dazu gehören beispielsweise Angststörungen, Depressionen, Essstörungen, Persönlichkeitsstörungen und vor allem die Substanzabhängigkeit3. Darüber hinaus leiden viele ADHS-Betroffene sowohl während ihrer Kindheit als auch im Erwachsenenalter unter familiären und sozialen Konflikten, haben Schwierigkeiten in Schule und Beruf und kämpfen immer wieder mit dem Gefühl „anders“ oder „nicht richtig“ zu sein.

Warum kann ADHS zur Sucht im Erwachsenenalter führen?

Wenn diese neuro-psychische Störung unbehandelt bleibt, leiden Betroffene oftmals ihr ganzes Leben lang unter den Symptomen. Viele greifen deshalb früher oder später regelmäßig zu Rauschmitteln. Das lässt sich meist auf einen von zwei Gründen zurückführen:

Kokain: Pulver in Tüte
Kokain: Pulver in Tüte

Sensation Seeking

Viele Patienten mit ADHS erleben häufiger einen impulsartigen Drang nach neuen Erlebnissen, was als Sensation Seeking bezeichnet wird4. Dabei gilt die Devise: Je extremer die Erlebnisse ausfallen, umso besser. Das Sensation Seeking kann sich in verschiedenen Lebensbereichen zum Problem entwickeln, denn waghalsige Aktionen und Verhaltensweisen können die berufliche, soziale und gesundheitliche Zukunft der Betroffenen gefährden. Neben extremen Hobbys wie Bungee-Jumping und Co., kann auch der Griff zu Alkohol und anderen Rauschmitteln das impulsartige Verlangen nach intensiven Erfahrungen befriedigen.

Symptomlinderung

Nicht alle ADHS-Betroffenen entwickeln ein Verhalten, das vom impulsartigen Drang nach Risiko und extremen Erlebnissen geprägt ist. Viele nutzen Alkohol, Drogen oder suchtauslösende Medikamente, um zumindest eine kurzfristige Linderung ihrer Symptome zu erreichen. Diese Form der Selbstmedikation hilft ihnen dabei, sich „endlich normal“ zu fühlen oder die Probleme des Alltags zu vergessen. Dabei wird außer Acht gelassen, dass das Suchtverhalten langfristig neue Schwierigkeiten hervorruft und zu ernsthaften gesundheitlichen Komplikationen führen kann.

Wie sieht die Behandlung bei ADHS und Sucht aus?

Ob es um ADHS und Drogensucht, Alkoholsucht oder Medikamentensucht geht – die optimale Behandlung weicht in einigen Bereichen vom Standard einer Suchttherapie ab. Neben der Entgiftung und Entwöhnung liegt der Fokus nämlich auf der Behandlung der ADHS als zugrundeliegender Erkrankung. Der Ablauf einer Suchtbehandlung mit begleitender ADHS gliedert sich in folgende Phasen:

Ablauf der Entgiftung bei Sucht und ADHS

Je nachdem, von welchem Suchtmittel ADHS-Patienten süchtig sind, erfolgt ein sofortiges Absetzen oder ein langsames Ausschleichen der Substanz. Entzugserscheinungen können dabei mit verschiedenen Medikamenten gelindert werden.

Bei der Entgiftung von Patienten mit ADHS gibt es einige Besonderheiten, da bestimmte Medikamente, die zur ADHS-Behandlung eingesetzt werden, ein suchtauslösendes Potenzial besitzen. Hierzu zählen vor allem ärztlich verordnete Psychoanaleptika wie beispielsweise Methylphenidat. Die Entgiftung und eine mögliche anschließende medikamentöse Behandlung der ADHS gehören also in erfahrene Hände. So kann die Gefahr der Suchtverlagerung nach der Entgiftung minimiert werden. Als Alternative zu Ritalin und Co. setzen Suchtmediziner bspw. Arzneimittel wie Antidepressiva mit dopaminerger oder noradrenerger Komponente ein. Hier besteht nahezu kein Missbrauchspotenzial.

Entwöhnung

Sobald der Körper vom Rauschmittel entgiftet ist, schließt sich die Entwöhnung als essenzieller Bestandteil der Behandlung bei ADHS und Sucht an. Hierbei rückt die zugrundeliegende neuro-psychische Erkrankung klar in den Mittelpunkt. Obwohl die Studienlage bislang noch dürftig ist, hat sich dieser integrative Behandlungsansatz, der sich der Sucht und der psychischen Störung gleichermaßen widmet, als besonders vielversprechend erwiesen5. Dabei kommen unterschiedliche Methoden und Verfahren zum Einsatz.

Der Therapieplan wird individuell auf den Betroffenen zugeschnitten, Anpassungen sind während der Suchtbehandlung jederzeit möglich, da diese idealerweise an einem Ort durchgeführt und von einem Behandlungsteam begleitet wird. Neben der Psychotherapie gehören zu den wichtigen Elementen:

  • Verhaltenstrainings/kognitive Verhaltenstherapie
  • Sport- und Kreativtherapie
  • Achtsamkeitsübungen
  • Kontingenzmanagement
  • Pharmakotherapie
  • motivationale Intervention

Nachsorge

Auch bei Patienten, deren Suchterkrankung eine Folge der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung ist, sollte im Anschluss an den stationären Aufenthalt unbedingt eine ambulante Nachsorge stattfinden. Die Form können die Patienten bei ADHS und Sucht selbst wählen. Bewährt haben sich die weitergehende Behandlung bei einem niedergelassenen Psychotherapeuten ebenso wie die Teilnahme an Selbsthilfegruppen.

An wen kann man sich bei ADHS und Sucht wenden?

Ob ADS und Sucht oder ADHS und Sucht – Betroffene und Angehörige können sich mit ihrem Problem an jede der folgenden Anlaufstellen wenden:

Suchen & Finden

Suchtklinik suchen

Umkreis

Quellenliste

1 Robert Koch-Institut (Hrsg), Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg) (2008) Erkennen – Bewerten – Handeln: Zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. RKI, Berlin, S. 57,https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Studien/Kiggs/Basiserhebung/GPA_Daten/ADHS.pdf?__blob=publicationFile (Datum des Zugriffs: 28.12.2022)

2 Göbel, Kristin et al. „ADHS bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle 2 und Trends“, Journal of Health Monitoring · 2018 3(3) DOI 10.17886/RKI­GBE­2018­078, Robert Koch­Institut, Berlin, S. 46, https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsJ/FactSheets/JoHM_03_2018_ADHS_KiGGS-Welle2.pdf?__blob=publicationFile (Datum des Zugriffs: 28.12.2022)

3 aerzteblatt.de „ADHS und komorbide Sucht: Broschüre jetzt verfügbar“, In: Dtsch Arztebl 2015; 112(33-34): [34], https://www.aerzteblatt.de/archiv/171669/ADHS-und-komorbide-Sucht-Broschuere-jetzt-verfuegbar (Datum des Zugriffs: 28.12.2022)

4 Borchard-Tuch, Claudia „ADHS – Sucht als Selbstmedikation“, In: PZ Pharmazeutische Zeitung, Ausgabe 06/2007, https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-062007/sucht-als-selbstmedikation/ (Datum das Zugriffs: 29.12.2022)

5 Ridinger, Monika „Teil 5: Behandlungen von ADHS und Suchterkrankungen“, In: Psychiatrie & Neurologie, 5/2016, S. 37 ff., https://www.rosenfluh.ch/media/psychiatrie-neurologie/2016/05/Teil-5-Behandlung-von-ADHS-und-Suchterkrankungen.pdf (Datum des Zugriffs: 30.12.2022)