Alkoholsucht

Alkoholiker in der Familie

Wichtiges in 30 sec.

  • Alkoholismus in der Familie ist für Angehörige sehr belastend.
  • Sind Vater oder Mutter alkoholabhängig, steigt das Risiko einer Suchterkrankung beim Kind.
  • Im Gespräch mit Alkoholabhängigen sollte man auf Vorwürfe verzichten und sich einfühlsam verhalten.
  • Beratungsstellen geben Hilfestellung im Umgang mit Alkoholikern in der Familie.

Was ist eine Alkoholsucht?

Eine Alkoholsucht ist eine Erkrankung, die durch den missbräuchlichen bzw. chronischen Konsum von Alkohol gekennzeichnet ist. Betroffene verlieren zunehmend die Kontrolle über ihren Alkoholkonsum, vernachlässigen andere Lebensbereiche und bilden häufig auch psychische und physische Begleiterkrankungen aus. Aktuelle Erhebungen zeigen einen riskanten Alkoholkonsum bei etwa 16 Prozent der erwachsenen Männer in Deutschland; bei den Frauen liegt der Anteil mit rund 11 Prozent etwas niedriger1.

Dauer Alkoholentzug: Frau im Arztgespräch
Dauer Alkoholentzug: Frau im Arztgespräch

Wie geht man mit Alkoholikern in der Familie um?

Es gibt keine aktuellen Zahlen darüber, wie groß die Anzahl von Familien ist, in denen mindestens ein Elternteil regelmäßig trinkt. Die letzten Erhebungen gehen von etwa 3,8 Millionen Elternteilen mit riskantem Alkoholkonsum aus. Hinzu kommen etwa 2,4 Millionen Elternteile mit regelmäßigem Rauschtrinken2. Dieses hat nicht nur Auswirkungen auf die Eltern-Kind-Beziehung: Bei einem Alkoholiker in der Familie leidet auch die Partnerschaft. In diesem Artikel finden Sie allgemeine Tipps im Umgang mit Alkoholabhängigen. Individuelle Hilfestellungen geben Suchtberatungsstellen, Selbsthilfegruppen und lokale Anlaufstellen, z. B. Blaues Kreuz, Anonyme Alkoholiker, Guttempler.

Was sollte man sich im Vorfeld überlegen?

Beim Umgang mit einem Alkoholiker in der Familie ist vor allem eines gefragt: Einfühlungsvermögen. Alkoholismus wird häufig stigmatisiert und als Willens- oder Charakterschwäche abgetan, dabei handelt sich um eine ernstzunehmende Krankheit. Der Betroffene kann die Alkoholabhängigkeit nicht einfach ablegen. Ohne eine professionelle Therapie, welche Suchtursachen ermittelt und Sucht aufrechterhaltende Faktoren identifiziert, ist es für Betroffene sehr schwer, langfristig abstinent zu bleiben und dem Suchtdruck zu widerstehen. Häufig liegen dem übermäßigen Konsum schwerwiegende Konflikte oder Traumata zugrunde. Zu erkennen und mitzufühlen, was in dem Betroffenen vorgehen mag, kann ein wichtiger Schritt zu einem konstruktiven Miteinander sein.

Wie beginnt man das Gespräch mit einem Alkoholiker in der Familie?

Für das Gespräch ist neben Einfühlungsvermögen das Setting wichtig, in dem man den Betroffenen anspricht. Im Allgemeinen sollte man für die Schilderung der eigenen Wahrnehmung einen geschützten Rahmen bevorzugen und die offene Konfrontation meiden, da Menschen mit einer Alkoholabhängigkeit häufig mit Schamgefühlen zu kämpfen haben.

Alkohol Entzugssymptome lindern mit warmen Entzug: Gruppentherapie
Alkohol Entzugssymptome lindern mit warmen Entzug: Gruppentherapie

Gesprächseinstieg und -führung

Empfehlenswert ist ein empathischer Einstieg in das Gespräch. Verständnis für die Situation zu haben, in der sich Vater, Mutter, Schwester, Bruder, Kinder etc. befinden, kann dazu beitragen, dass sich der Betroffene öffnet. Gleichzeitig sollte Unterstützung angeboten werden, um das zugrundeliegende Problem zu lösen – zum Beispiel Hilfe bei der Suche nach einem Therapeuten, ein Gespräch mit dem Arbeitgeber oder ähnliches. Vorwürfe sind grundsätzlich fehl am Platz. Sie würden nur dazu führen, dass sich der Alkoholkranke stärker zurückzieht.

Vorsicht bei emotionalen Regulationsstörungen

Eine emotional aufgeladene Konfrontation könnte nicht nur zu Ablehnung, sondern auch zu Wut führen. Deshalb sollte man sich als Angehöriger auf jeden Fall externe Hilfe holen, wenn Defizite in der emotionalen Selbststeuerung und Selbstregulation des Alkoholkranken bekannt oder zu befürchten sind.

Welche Erwartungen sind realistisch?

Allein aus Selbstschutz ist es wichtig, einem Alkoholkranken in der Familie Hilfe und Unterstützung anzubieten. Schließlich beeinträchtigt die Krankheit nicht nur den Trinkenden selbst, sondern seine gesamte Familie. Man darf allerdings nicht davon ausgehen, dass der Betroffene Hilfsangebote umgehend annimmt. Dankbarkeit für offene Worte und Verständnis darf man nicht erwarten.

Viele Alkoholabhängige wollen oder können sich ihre Sucht zu Beginn oft nicht eingestehen. Sie reagieren abweisend, werden vielleicht sogar wütend. Andere sehen vielleicht ein, dass sie ein Problem haben, bringen aber noch nicht die nötige Motivation auf, um etwas daran zu ändern. Für Angehörige ist es deshalb wichtig, realistische Erwartungen an das Gespräch zu haben.

Welche Auswirkungen hat Alkoholismus auf eine Familie?

Alkoholiker in der Familie – was tun? Diese Frage stellen sich viele Angehörige. Laut Angaben vom Blauen Kreuz kommen auf einen Menschen mit Alkoholabhängigkeit im Schnitt 4 bis 5 Angehörige, deren Leben durch die Krankheit negativ beeinflusst wird3. Besonders betroffen sind nahe Angehörige, die mit dem Suchtkranken unter einem Dach leben.

  • Partner
    • Wenn ein Partner zu viel trinkt, kann das für den anderen eine große Belastung sein. Menschen mit einer Alkoholabhängigkeit werden oft unzuverlässig, isolieren sich zunehmend und können sogar zu Wut- und Gewaltausbrüchen neigen. Auch die Libido kann durch den starken Alkoholkonsum in Mitleidenschaft gezogen werden4.
      Häufig kommt es vor, dass die Partner der Abhängigen mehr Verantwortung in der Beziehung übernehmen müssen. Sie erfinden Ausreden und Entschuldigungen für die Folgen des Alkoholismus und geraten zunehmend selbst unter Druck. Das kann langfristig dazu führen, dass sie irgendwann selbst zu Rauschmitteln greifen oder körperliche und/oder psychische Leiden entwickeln.
  • Kinder
    • Für die Kinder von alkoholabhängigen Eltern bzw. für Kinder mit einem suchtkranken Elternteil ist die Krankheit besonders belastend. Bei Vorliegen einer Alkoholsucht in der Familie sind Kinder oft einem instabilen Umfeld ausgesetzt. Sie müssen häufig schon früh nicht altersgemäße Verantwortung übernehmen (Parentifizierung). Vielfach entwickeln sie Schuldgefühle, teilweise werden sie sogar als Druckmittel benutzt.
      Experten gehen davon aus, dass Kinder aus alkoholbelasteten Familien ein deutlich erhöhtes Risiko haben, selbst alkoholabhängig zu werden. Darüber hinaus steigt die Gefahr, dass Kinder alkoholsüchtiger Eltern psychische Erkrankungen wie Depressionen ausbilden, an einem geringen Selbstwert leiden oder Gewalt- und Missbrauchserfahrungen machen müssen5.
  • Allgemeines Umfeld
    • Da oft finanzielle und soziale Unsicherheit herrschen, ist Alkoholismus für das Gesamtgefüge einer Familie äußerst belastend. Doch auch Freunde und Angehörige, die nicht direkt im Haushalt der betroffenen Person leben, können negativ beeinflusst werden. Das betrifft beispielsweise Kollegen und Arbeitgeber.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es für Alkoholiker?

Familien mit einem Alkoholiker müssen lernen, dass nicht sie selbst als Angehörige für die Gesundheit des Betroffenen verantwortlich sind. Nur der Suchtkranke selbst hat die Kraft, sich aus der Abhängigkeit zu lösen und sich einem Leben ohne Alkohol zuzuwenden. Kinder, Eltern, Freunde oder der Partner können hierbei eine Stütze sein, die zugrundeliegenden Konflikte aber nicht für den Betroffenen lösen.

  • Kalter Entzug – nicht empfehlenswert
    • Beim Thema Alkohol versuchen viele Betroffene, sich aus eigener Kraft vom Suchtmittel zu lösen. Sie starten einen kalten Entzug, bei dem sie von jetzt auf gleich keinen Alkohol mehr trinken. Diese Form des Entzugs ist problematisch, weil sie aufgrund der belastenden Entzugserscheinungen oft von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Überdies können schwerwiegende Entzugssymptome mitunter sogar lebensgefährlich werden.
  • Qualifizierte Entzugstherapie
    • Eine qualifizierte Entzugstherapie ist für die meisten Alkoholkranken der einfachste und sicherste Weg in ein Leben ohne Alkohol. Im Rahmen einer medizinisch-therapeutisch begleiteten Behandlung werden körperliche Entgiftung und psychische Entwöhnung nacheinander bzw. in vielen privaten Kliniken auch parallel absolviert. Das Ziel ist, nicht nur die körperliche Seite der Sucht zu bewältigen, sondern auch die zugrundeliegenden Konflikte zu lösen und neue Verhaltensstrategien zu erlernen. Nur so können Betroffene langfristig auf Alkohol verzichten.
  • Entzug in privaten oder öffentlichen Einrichtungen
    • Eine Entzugsbehandlung ist in privaten Entzugseinrichtungen mit hochfrequenten Therapien in etwa 4 Wochen möglich. Bei gleichzeitig vorliegenden Begleiterkrankungen kann die Behandlung auch etwas länger dauern. In öffentlichen Einrichtungen ist in der Regel mit einer längeren Therapiedauer zu rechnen, da Entgiftung und psychische Entwöhnung meist in getrennten Einrichtungen stattfinden – häufig mit Wartezeiten dazwischen.

Wo finden Angehörige Unterstützung?

Der Umgang mit einem Alkoholiker in der Familie ist für Angehörige nicht einfach. Wenn der eigene Partner, Vater, Mutter oder Kind trinken, muss man dies nicht allein durchstehen. Es gibt viele Hilfsangebote, die speziell auf Angehörige ausgerichtet sind.

  • Selbsthilfegruppen
    • Viele Selbsthilfegruppen richten sich konkret an die Angehörigen von alkoholkranken Menschen. Besonders hervorzuheben ist hier Al-Anon: Die Al-Anon®-Familiengruppen sind eine Anlaufstelle für Angehörige und Freunde von Alkoholikern. Auch das Blaue Kreuz leistet Angehörigen mit einem Alkoholiker in der Familie umfassende Unterstützung. Daneben existieren in vielen Städten und Gemeinden Selbsthilfegruppen, die Beratung und Hilfestellung anbieten.
  • Hausarzt
    • Der eigene Hausarzt kann nicht nur als wichtige Informationsquelle bei Fragen rund um das Thema Alkohol und Alkoholismus helfen. Er kann auch den Gesundheitszustand von Angehörigen begutachten. Viele Väter und Mütter, Kinder, Ehemänner und -frauen entwickeln häufig selbst gesundheitliche Probleme, die behandlungsbedürftig sind. Diese sollte man nicht vernachlässigen.
  • Psychotherapeuten
    • Psychotherapeuten helfen Menschen, die das Gefühl haben, dass ihnen das Zusammenleben mit einem Alkoholiker in der Familie über den Kopf wächst, bzw. die bereits psychische Symptome ausgebildet haben. Depressive Verstimmungen, Burnout oder Angst- und Panikattacken sind schließlich ernstzunehmende, behandlungsbedürftige psychische Störungen.
  • Entzugskliniken
    • Manche Entzugskliniken bieten Informationsveranstaltungen und leisten Aufklärungsarbeit, überdies beziehen sie in der Regel Angehörige in die Behandlung Alkoholkranker ein.

Quellenliste

1 dkfz. Deutsches Krebsforschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft „Alkoholatlas Deutschland 2022 – auf einen Blick“, S. 1, https://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/Publikationen/sonstVeroeffentlichungen/Alkoholatlas-Deutschland-2022_Auf-einen-Blick.pdf (Datum des Zugriffs: 06.06.2024)

2 Manz, Kristin et al. „Entwicklung von bundesweit aussagekräftigen Kennziffern zu alkoholbelasteten Familien“, Projektbericht, Robert Koch-Institut, Berlin, 2016, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Drogen_und_Sucht/Berichte/Abschlussbericht_bundesweit_aussagekraeftige_Kennziffern.pdf  (Datum des Zugriffs: 06.06.2024)

3 Blaues Kreuz in Deutschland e. V. (BKD), https://www.blaues-kreuz.de/de/sucht-und-abhaengigkeit/sucht-und-familie/ (Datum des Zugriffs: 06.06.2024)

4 Römer, Katja „Lust und Rausch – Sexualität und Substanzkonsum“, In: Psychiatrie + Neurologie, Fortbidung, 4/2018, S. 4, https://www.rosenfluh.ch/media/psychiatrie-neurologie/2018/04/Lust-und-Rausch-Sexualitaet-und-Substanzkonsum.pdf (Datum des Zugriffs: 06.06.2024)

5 NACOA Deutschland „Kinder aus Suchtfamilien: Wichtige Fakten“, © NACOA Deutschland – www.nacoa.de, S. 3 f., https://nacoa.de/sites/default/files/images/stories/pdfs/neu/Wichtige%20Fakten.pdf (Datum des Zugriffs: 06.06.2024)

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