Alkoholsucht

Medikamente gegen Alkoholsucht

Das Wichtigste in Kürze

  • Viele Alkoholiker wünschen sich Medikamente gegen Alkoholsucht.
  • Es gibt verschiedene Mittel: Linderung von Entzugserscheinungen, Minderung des Suchtverlangens, Hervorrufen unangenehmer Symptome bei Alkoholkonsum.
  • Die Arzneimittel sind in der Regel verschreibungspflichtig.
  • Aufgrund möglicher Nebenwirkungen ist eine Einnahme nur in Absprache mit einem Arzt sinnvoll.
  • Die Präparate unterscheiden sich in der Wirkung und sollten individuell angepasst werden.
  • Lesezeit: 6 Minuten

Medikamente gegen Alkoholsucht – Wundermittel gegen das Trinken?

Viele Alkoholiker, die mit dem Trinken aufhören möchten, begeben sich auf die Suche nach Medikamenten gegen Alkoholsucht. Tatsächlich gibt es verschiedene Arzneimittel, die Betroffene im Kampf gegen die Alkoholabhängigkeit unterstützen können. Jedoch werden diese für gewöhnlich nur in Kombination mit einem professionellen Alkoholentzug verschrieben. Welche Möglichkeiten die Mittel gegen Alkoholsucht Patienten bieten, wird nachfolgend erklärt.

Gibt es Tabletten gegen Alkoholsucht?

Viele Alkoholabhängige sind sich ihrer Erkrankung bewusst und möchten versuchen, mit dem Trinken aufzuhören. Oft ist es die Angst vor dem Entzug, die sie davon abhält. Deshalb wünschen sich viele Alkoholiker, einfach Tabletten gegen eine Alkoholsucht nehmen zu können. Doch das ist bislang nicht möglich. Es gibt zwar Medikamente, die bei der Überwindung einer Alkoholabhängigkeit unterstützen können, jedoch keine Mittel, mit denen die Sucht einfach von jetzt auf gleich verschwindet.

Welche Medikamente werden gegen Alkoholabhängigkeit eingesetzt?

Medikamente gegen Entzugserscheinungen

Die wichtigsten Arzneimittel im Kampf gegen die Alkoholsucht sind Präparate, die den Entzug aktiv unterstützen. Hierbei handelt es sich um Mittel, die in erster Linie belastende Entzugserscheinungen lindern oder schwere Entzugserscheinungen vermeiden. Diese Medikamente sind allesamt verschreibungspflichtig und werden normalerweise meist im Rahmen einer qualifizierten Entzugstherapie verordnet. Die Empfehlungen zur Verordnung finden sich in der aktuellen S3-Leitlinie zu Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen1. Typische Medikamente gegen Entzugserscheinungen sind:

  • Clomethiazol2
  • Benzodiazepine
  • Beta-Blocker in Kombination mit Benzodiazepinen oder Clomethiazol
  • Clonidin in Kombination mit Benzodiazepinen oder Clomethiazol
  • Antipsychotika gegen Wahnzustände und Halluzinationen
  • Antikonvulsiva zum Schutz vor Krampfanfällen
  • Thiamin zur Prophylaxe einer Wernicke Enzephalopathie
  • Tiapridex in Kombination mit Antikonvulsiva

Medikamente gegen Suchtverlangen

Das Suchtverlangen zu überwinden, ist für die meisten Alkoholiker der schwierigste Part auf dem Weg aus der Alkoholabhängigkeit. Der unstillbar wirkende Wunsch, Alkohol zu trinken, ist eine Folge des chronischen Konsums während der Abhängigkeit: Unter dem chronischen Einfluss des Alkohols beginnt sich das Gehirn zu verändern, bildet ein Suchtgedächtnis aus, welches das Suchtverlangen hervorruft. Entsprechend häufig ist es genau dieses Verlangen, das Alkoholiker rückfällig werden lässt. Umso besser, dass mittlerweile Medikamente gegen Alkoholsucht existieren, die genau dieses Verlangen unterdrücken:

Nalmefen

Seit 2014 ist Nalmefen als Medikament in Deutschland erhältlich. Das Präparat richtet sich an Patienten, die einen schädlichen Alkoholgebrauch betreiben oder bereits alkoholabhängig sind und denen es schwerfällt, eine stabile Abstinenz zu erreichen. Als Opioidantagonist blockiert der Wirkstoff die Aktivierung des körpereigenen Belohnungssystems und sorgt dafür, dass der angenehm euphorisierte Rauschzustand nach dem Genuss alkoholischer Getränke ausbleibt. Nalmefen dient in erster Linie der Reduktion der Trinkmenge. Damit es optimal wirkt, sollte es ein bis zwei Stunden vor potenziellen Risikosituationen, die mit dem Verzehr von Alkohol einhergehen könnten, eingenommen werden.

Naltrexon

Naltrexon ist ein weiterer Opioidantagonist, der ebenfalls die Wirkung des Alkohols auf das Belohnungszentrum verhindert. Eingesetzt wird das Präparat meist nach einer Entzugsbehandlung, wenn die Abstinenz nicht stabil ist und verhindert werden soll, dass aus einem „kleinen“ Rückfall („lapse“), ein großer Rückfall („relapse“) wird. Zu trinken führt bei dem Patienten nicht zu einer Stimulation des Belohnungssystems. Genauso wie bei Nalmefen berichten einige Patienten bei Naltrexon auch von einem geringeren Alkoholverlangen („Craving“).

Acamprosat

Acamprosat gilt als klassische Anti-Craving-Substanz, die verhindern soll, dass Alkoholiker nach einer Entgiftung rückfällig werden. Das Medikament verhindert die Entstehung des starken Verlangens („negatives Craving“, anspannungsassoziierter Suchtdruck) nach dem Suchtmittel, kann allerdings nur dann wirksam werden, wenn eine Abstinenz vorliegt und die Medikation über mindestens fünf Tage eingenommen wurde.

Baclofen

Baclofen ist zur medikamentösen Behandlung einer Alkoholabhängigkeit in Deutschland aktuell nicht zugelassen, in Frankreich dagegen schon3. Es handelt sich bei diesem Präparat eigentlich um ein Muskelrelaxans, dessen Wirkung gegen eine Alkoholabhängigkeit bislang noch nicht ausreichend in klinischen Studien bestätigt wurde. Im off-label-use wird das Medikament jedoch bisweilen trotzdem im Rahmen der Suchttherapie eingesetzt. Dann allerdings nur in schwerwiegenden Fällen, etwa wenn bereits eine ethyltoxisch induzierte Leberzirrhose vorliegt.

Wie wirken Medikamente gegen Alkoholsucht?

Alkohol wirkt auf die Psyche und das Bewusstsein des Menschen ein, indem es den Neurotransmitter-Stoffwechsel verändert. Die Ausschüttung verschiedener Botenstoffe wird angeregt, es kommt zu einer Erhöhung der Dopaminkonzentration und das Belohnungssystem wird aktiviert. Das Ergebnis: Wer Alkohol trinkt, fühlt sich entspannt, euphorisiert und glücklich. Weil im Gehirn gleichzeitig ein Suchtgedächtnis ausgebildet wird, wächst jedoch mit jedem Schluck das Verlangen nach mehr Alkohol. Parallel dazu gewöhnt sich der Organismus an das Trinken. Bleibt die gewohnte Dosis aus, kommt es zu Entzugserscheinungen.

Blockierung des Belohnungszentrums

Medikamente gegen Alkoholsucht setzen normalerweise bei der psychischen Komponente der Abhängigkeit an. Sie modulieren das Belohnungszentrum im Gehirn. Das führt dazu, dass die Verknüpfung vom Alkoholtrinken mit dem Erleben von Glücksgefühlen (positive Verstärkung) ausbleibt. Dadurch können alkoholabhängige Menschen die Trink-Motivation verlieren oder konsumieren möglicherweise weniger Alkohol.

Daneben wirken sie als sogenannten Anti-Craving-Substanzen und reduzieren das Verlangen des Abhängigen nach Alkohol und führen dazu, weniger zu trinken.

Auslösen unangenehmer Symptome bei Alkoholkonsum

Eine dritte Gruppe von Tabletten gegen Alkoholsucht verfolgt den Ansatz der Aversionstherapie. Nach der Einnahme der entsprechenden Mittel können Patienten Alkohol weniger gut vertragen. Schon kleine Mengen sollen dann genügen, um eine starke Übelkeit oder Brechreiz hervorzurufen. Diese Methode ist allerdings umstritten. Arzneimittel, die zum Beispiel den Wirkstoff Disulfiram enthalten, werden deshalb in Deutschland heutzutage nur noch in Spezialambulanzen eingesetzt.

Kann man Medikamente gegen Alkoholsucht rezeptfrei in der Apotheke bekommen?

Wirksame rezeptfreie Medikamente gegen Alkoholsucht gibt es derzeit nicht. Sämtliche Arzneimittel, die wirksam bei einer Alkoholabhängigkeit eingesetzt werden können, dürfen nur mit einer ärztlichen Verordnung herausgegeben werden. Das hat einen einfachen Grund: Viele der Medikamente können bei falscher Einnahme schwerwiegende Nebenwirkungen auslösen. Zudem gibt es eine Reihe von Kontraindikationen, also bestimmte Voraussetzungen, unter denen eine Einnahme mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko einhergeht.

Wann bekommt man Medikamente gegen Alkoholsucht verschrieben?

Wer mit dem Trinken aufhören und einen Weg aus dem Alkoholismus finden möchte, sollte sich hierfür unbedingt in ärztliche Behandlung begeben. Die Alkoholabhängigkeit auf eigene Faust, womöglich noch in einem kalten Entzug, zu beenden, kann dramatische Folgen haben: Betroffene können derart schwerwiegende Entzugserscheinungen erleiden, dass die Situation schnell lebensbedrohlich werden kann. Wer sich dagegen dazu entscheidet, den Alkoholkonsum unter ärztlicher Aufsicht überwinden zu wollen, und eine Therapie beginnt, hat eine ungleich größere Chance, auch nach dem Entzug abstinent zu bleiben.

Alkoholsucht-Medikamente im klinischen Setting

Oft werden wirksame Präparate gegen eine Alkoholabhängigkeit bei einem Entzug im klinischen Setting zur Aufrechterhaltung der Abstinenz („Rückfallprophylaxe“) verordnet. Manche wirkungsvollen Tabletten gegen Alkoholismus werden auch schon vor einer stationären Therapie verordnet, um den Alkoholkonsum zu reduzieren.

Medikamente gegen Alkoholsucht vor dem Entzug

Nalmefen ist ein Wirkstoff, der Betroffenen schon vor Beginn der Behandlung helfen soll, den Alkoholkonsum zu reduzieren. Der erste Schritt auf dem Weg aus der Alkoholabhängigkeit sollte für Betroffene deshalb immer zu einem erfahrenen Arzt führen. Dieser kann den Patienten darüber informieren, welche Möglichkeiten es gibt, den Alkoholkonsum kontrolliert und möglichst ohne Nebenwirkungen oder unangenehme gesundheitliche Folgen zu beenden.

Quellenliste

Kiefer, Hoffmann, Petersen, Batra (Hrsg.) “Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen”, Springer Verlag, Heidelberg, 2. Auflage 2022, Die Leitlinie ist auch online verfügbar bei der AWMF: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/076-001.html (Datum des Zugriffs: 17.10.2022)

2 Tölle, Rainer et al. „Warnende Hinweise zur Verschreibung von Clomethiazol (Distraneurin®)“, In: Dtsch Arztebl 1997; 94(5): A-237 / B-189 / C-177, https://www.aerzteblatt.de/archiv/4889/Warnende-Hinweise-zur-Verschreibung-von-Clomethiazol-(Distraneurin-)  (Datum des Zugriffs: 17.10.2022)

3 aerzteblatt.de „Frankreich: Baclofen zur Förderung der Alkoholabstinenz „vorläufig“ zugelassen“, https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/57966/Frankreich-Baclofen-zur-Foerderung-der-Alkoholabstinenz-vorlaeufig-zugelassen  (Datum des Zugriffs: 17.10.2022)

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