Alkoholsucht

Bipolare Störung und Alkohol

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Bipolare affektive Störung (BAS) ist durch unregelmäßige Episoden von Depression und Manie
  • Viele Betroffene konsumieren regelmäßig große Mengen Alkohol.
  • Alkohol kann die Symptome verstärken, das Suizidrisiko vergrößern und den Krankheitsverlauf ungünstig beeinflussen.
  • Eine Behandlung muss sowohl die BAS als auch die Alkoholabhängigkeit therapieren.
  • Eine Kombination aus Psychotherapie und Pharmakotherapiehat sich bewährt.

Was ist eine bipolare Störung?

Die bipolare Störung (BAS = Bipolare Affektive Störung) ist eine schwere psychische Erkrankung, die dadurch gekennzeichnet ist, das Betroffene in unregelmäßigen Abständen Episoden von euphorischer Manie und tiefer Depression erleben. Man spricht deshalb auch von einer manisch-depressiven Erkrankung. Je nach Schätzung leiden bis zu 5 % der Gesamtbevölkerung unter der Affektstörung1.

Amphetamine Entzugssymptom: Frau mit Schlafstörungen
Amphetamine Entzugssymptom: Frau mit Schlafstörungen

Ist die bipolare Störung eine schwere Erkrankung?

Für Betroffene kann die Erkrankung lebensbedrohlich werden: Bis zu 25 Prozent der Patienten mit bipolarer Störung versuchen früher oder später, sich das Leben zu nehmen2. Zudem drohen familiäre Konflikte, der Verlust des Arbeitsplatzes und Komorbiditäten, wie zum Beispiel die Alkoholsucht. Tatsächlich sind bipolare Störung und Alkohol bei vielen Betroffenen untrennbar miteinander verknüpft. Suchterkrankungen gehören zu den häufigen Komorbiditäten3.

Wirkung Alkoholentgiftung auf das Gehirn: Gehirn symbolisch in Hand
Wirkung Alkoholentgiftung auf das Gehirn: Gehirn symbolisch in Hand

Was sind die Ursachen für eine manisch-depressive Erkrankung?

Die Ursachen dafür, dass manche Patienten unter einem extremen Wechsel aus Manie und Depression leiden müssen, sind bis heute noch nicht gänzlich geklärt. Fest steht bereits, dass die genetische Disposition eine Rolle spielt. Auch eine fehlangepasste Regulation von bestimmten Neurotransmittern wie Noradrenalin, Dopamin und Serotonin könnte die Entstehung der psychischen Erkrankung begünstigen. Darüber hinaus gehen Experten davon aus, dass belastende Lebensereignisse Symptome auslösen und verschlimmern können; bestimmte Rauschmittel, Alkohol und Antidepressiva können ebenfalls für eine Verschlimmerung  sorgen4. Wie genau der Wirkzusammenhang hierbei aussieht, ist allerdings noch Gegenstand der Forschung.

 

Welche Symptome verursacht eine bipolare Störung?

Bei der bipolaren Störung handelt es sich um eine affektive Störung, welche die Stimmung der Betroffenen beeinflusst. Charakteristisch sind hierbei vor allem zwei Stimmungsbilder: die Depression und die Manie. Beide können in unregelmäßigen Abständen auftreten und derart extreme Ausmaße annehmen, dass es für die Betroffenen kaum noch möglich ist, einen regulären Alltag zu führen.

  • Phasenweises Auftreten von Symptomen
    • Zwischen den symptomatischen Phasen können Abschnitte liegen, in denen die Betroffenen sich „ganz normal“ fühlen. Häufig bleiben hier jedoch (depressive) Beschwerden zurück. Wie lang die einzelnen depressiven und manischen Episoden andauern, ist unterschiedlich. Die Spanne reicht von einigen Wochen bis hin zu mehreren Monaten.
  • Symptome einer Manie
      • dauerhaft gehobene, überschwängliche oder reizbare Stimmung
      • übersteigerter Selbstwert
      • Größenwahn
      • enormes Mitteilungsbedürfnis
      • rasende Gedanken
      • Konzentrationsschwierigkeiten
      • verstärkte zielgerichtete Aktivität
      • reduziertes Schlafbedürfnis
      • Teilnahme an Aktivitäten mit hohem Potenzial für schmerzhafte Folgen
  • Symptome einer Depression
      • depressive Stimmung
      • Interessenverlust
      • Freudlosigkeit
      • Gewichtszu- oder -abnahme
      • Müdigkeit
      • Antriebslosigkeit
      • Schuldgefühle
      • verringerter Selbstwert
      • Konzentrationsschwierigkeiten
      • Unentschlossenheit
      • wiederkehrende Gedanken an Selbsttötung

Wie sieht die Behandlung/Therapie bei einer bipolaren Störung aus?

Patienten, die wiederkehrend manische und depressive Episoden erleben, müssen unbedingt psychotherapeutisch und in der Regel auch medikamentös behandelt werden. In Frage kommen sogenannte Stimmungsstabilisierer wie Lithium oder Antipsychotika. Darüber hinaus sollten Betroffene unbedingt an einer fortlaufenden Psychotherapie teilnehmen. Unter Umständen bedarf es einer Behandlung in einem klinischen Setting. Das gilt für den Fall, dass Patienten gerade eine akute Episode mit extremer Manie oder Depression erleben, kann aber auch in Phasen der Remission erforderlich sein. Patienten mit bipolarer Störung sind häufig dauerhaft auf eine medikamentöse Behandlung angewiesen, um ein möglichst ausgeglichenes Stimmungsniveau zu halten.

Wie hängen bipolare Störung und Alkohol zusammen?

Patienten mit einer bipolaren Störung leiden oft extrem unter den manischen und depressiven Episoden. Insbesondere der Absturz von der Manie, in der sie eine Phase voller Tatendrang und Euphorie erlebt haben, in die Depression ist sehr hart. Viele Betroffene versuchen deshalb verstärkt in der depressiven Phase, ihre Stimmung mit Alkohol und anderen Rauschmitteln zu heben.

Häufigkeit einer Alkoholsucht bei bipolarer Störung

Die Alkoholabhängigkeit ist eine der häufigsten Komorbiditäten bei Patienten mit einer bipolaren Störung. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung kommt sie hier dreimal so oft vor. Es ist davon auszugehen, dass etwa 30 Prozent aller Menschen mit einer bipolaren Störung auch eine Alkoholkonsumstörung aufweisen6. Besonders hoch ist das Risiko bei Patienten, die stationär behandelt werden.

Bipolare Störung häufig als primäre Diagnose

Der Zusammenhang zwischen einer Abhängigkeit von Alkohol und einer bipolaren Störung funktioniert nicht nur in eine Richtung. Allerdings gibt es signifikant mehr Menschen, bei denen erst eine bipolare Störung und dann eine Alkoholabhängigkeit diagnostiziert wurde, als Menschen, bei denen im Anschluss an die Diagnose Alkoholabhängigkeit eine bipolare Störung folgte.

Warum konsumieren Menschen mit bipolarer Störung Alkohol?

Die meisten Menschen, die bei einer bipolaren Störung Alkohol konsumieren, tun dies, um die Symptome abzuschwächen. Das gilt insbesondere für die Phasen der Depression: Alkohol besitzt eine beruhigende und euphorisierende Wirkung. Wer während einer depressiven Episode Alkohol konsumiert, möchte dadurch negative Gefühle wie Freudlosigkeit oder Ängste dämpfen.

Doch nicht ausschließlich in der Phase der Depression spielt Alkohol eine Rolle. Auch manische Abschnitte können Alkoholkonsum forcieren. In diesem Fall wirkt die psychoaktive Substanz wie eine Art Verstärker, der die intensiven positiven Gefühle zusätzlich befeuert.

Wieso ist Alkohol bei bipolarer Störung nicht ratsam?

Alkohol ist eine psychoaktive Substanz, die im zentralen Nervensystem wirkt und dort in das Zusammenspiel aus verschiedenen Neurotransmittern eingreift. Diese sind bei Patienten mit depressiven und manischen Episoden ohnehin bereits stark aus dem Gleichgewicht geraten – Alkohol kann diese Dysbalance weiter verstärken.

  • Alkohol verstärkt bei bipolarer Störung die Symptome
    • Es existieren etliche Studien, die zeigen, dass die bipolare Störung durch Alkohol in ihrem klinischen Verlauf ungünstig beeinflusst werden kann.7
          • Die bipolare Störung kann durch Alkohol frühzeitiger ausgelöst werden und es kommt häufiger zu Rehospitalisierungen aufgrund von Rückfällen.

       

          • Zudem besteht ein erhöhtes Risiko für das gemeinsame Auftreten von manischen und depressiven Symptomen gleichzeitig.

       

        • Neben diesen gemischten Zuständen bemerken viele Patienten mit der Störung sogenanntes Rapid Cycling bei sich. Hiermit ist gemeint, dass innerhalb von nur einem Jahr mehr als vier affektive Episoden, also Phasen mit Symptomen von Depression und Manie, auftreten.
  • Bei langfristigem Konsum droht Alkoholabhängigkeit
    • Zudem ist die Kombination aus bipolar und Alkohol gefährlich, weil das Rauschmittel ein hohes Suchtpotenzial aufweist. Da depressive und manische Phasen bei Betroffenen teilweise bis zu mehreren Monaten andauern können, bedeutet dies oft einen auffallend überhöhten Konsum, der langfristig in einer Abhängigkeit münden kann. Auch hierbei handelt es sich um eine psychische Erkrankung, welche die ohnehin bereits stark belasteten bipolaren Patienten zusätzlich einschränkt.
  • Alkohol kann Wirksamkeit von Medikamenten einschränken
    • Die manisch-depressive Erkrankung ist eine Störung, die auch durch den Einsatz bestimmter Medikamente therapiert wird. Wenn Manisch-Depressive Alkohol trinken, kann dieses Rauschmittel die Wirksamkeit der Psychopharmaka beeinflussen. Dadurch kann es passieren, dass die Medikamente nicht mehr richtig wirken oder stärkere Nebenwirkungen auftreten. Dies kann den Erfolg der Therapie beeinträchtigen.
  • Alkohol erhöht das Suizidrisiko
    • Alkoholkonsum während einer manisch-depressiven Phase kann das Risiko für einen Suizid steigern. Grundsätzlich ist das Risiko, irgendwann einen Suizidversuch zu unternehmen, für Menschen mit einer bipolaren Störung ohnehin erhöht. Durch die gleichzeitige Einnahme von Alkohol und/oder anderen Drogen vergrößert sich dieses Risiko signifikant. Denn auch Menschen, die an einer Alkoholkonsumstörung leiden, leben mit einem fünf- bis zehnfach erhöhten Risiko an einem Suizid zu versterben8.

Wie sieht die Therapie bei bipolarer Störung und Alkohol aus?

Wenn Patienten unter mehreren (psychischen) Störungen gleichzeitig leiden, ist die Behandlung meist deutlich erschwert. Das gilt insbesondere bei der Kombination von bipolarer Störung und Alkohol. Allein die Voraussetzungen für eine effektive Therapie sind schwierig, da viele Betroffene nur eine geringe Therapiebereitschaft und -motivation mitbringen.

Beide Störungen gleichzeitig behandeln

Damit eine Behandlung der Störungen erfolgreich sein kann, gilt es, beide Erkrankungen gleichermaßen in den Fokus zu rücken. Würde lediglich die bipolare Störung und nicht die Alkoholabhängigkeit (oder umgekehrt) behandelt, bliebe auch nach einer zunächst erfolgreich abgeschlossenen Therapie ein großes Rückfallrisiko bestehen. Darüber hinaus empfiehlt sich für Betroffene vorrangig ein stationäres Setting für die Behandlung – schon allein deshalb, weil bei einem Alkoholentzug schwere Entzugserscheinungen zu erwarten sind, die mitunter lebensgefährlich werden können.

Wahl der Klinik kann entscheidend sein

Die besten Erfolgsaussichten scheinen Therapien zu haben, die sich aus Pharmakotherapie und Psychotherapie zusammensetzen. Hierbei haben insbesondere kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze zu positiven Ergebnissen geführt. Zudem sollten Betroffene sich im besten Fall in professionelle Hände mit entsprechender Behandlungsexpertise begeben. Nicht jede Klinik ist auf die Behandlung von Komorbiditäten bzw. Patienten mit mehreren psychischen Störungen spezialisiert.

Quellenliste

1 Preuß, Ulrich et al. „Bipolar affektive Störungen und Alkoholkonsumstörungen“, In: SPECTRUM Psychiatrie, SP 02/2012, https://www.medmedia.at/spectrum-psychiatrie/bipolar-affektive-storungen-und-alkoholkonsumstorungen/(Datum des Zugriffs: 02.08.2023)

2 ukb Universitätsklinikum Bonn „Bipolare Störungen“, https://www.ukbonn.de/psychiatrie-und-psychotherapie/klinisches-spektrum/bipolare-stoerungen/ (Datum des Zugriffs: 02.08.2023)

3 ÄrzteZeitung „Bipolar Erkrankte trinken häufig zuviel Alkohol“, Veröffentlicht: 25.06.2004, https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Bipolar-Erkrankte-trinken-haeufig-zuviel-Alkohol-317173.html (Datum des Zugriffs: 02.08.2023)

4 Coryell, William „Bipolare Störungen“, MSD MANUAL Ausgabe für medizinische Fachkreise, https://www.msdmanuals.com/de-de/profi/psychische-störungen/affektive-störungen/bipolare-störungen (Datum des Zugriffs: 02.08.2023)

5 ebd.

6 Preuss, Ulrich, Wong, Jessica W. M., Wurst, F. „Komorbidität von bipolar affektiven Störungen und Alkoholabhängigkeit: Häufigkeit, Konsequenzen und Therapiemöglichkeiten“, In: JATROS Neurologie & Psychiatrie 2011 (4), S. 8-13, S. 8, https://www.researchgate.net/publication/275090497_Komorbiditat_von_bipolar_affektiven_Storungen_und_Alkoholabhangigkeit_Haufigkeit_Konsequenzen_und_Therapiemoglichkeiten (Datum des Zugriffs: 02.08.2023)

ebd.

8 Pichler E-M, Walter M (2022). Suizid und Alkohol – Ein Update der Literatur. Suchtmedizin 24(4): 187–196, https://www.ecomed-medizin.de/suizid-und-alkohol-ein-update-der-literatur (Datum des Zugriffs: 02.08.2023)

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