Alkoholsucht

Alkoholentzug Medikamente

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein qualifizierter Alkoholentzug kann durch verschiedene Medikamente erleichtert werden.
  • Die Arzneimittel lindern sowohl psychische als auch körperliche Entzugserscheinungen.
  • Zudem helfen die Wirkstoffe, lebensbedrohliche Komplikationen zu vermeiden.
  • Die Präparate sind normalerweise verschreibungspflichtig und nicht frei verkäuflich.
  • Aufgrund möglicher Nebenwirkungen sollte die Einnahme immer nach Absprache mit einem Arzt erfolgen.
  • Lesezeit: 8 Minuten
Alkoholentzug-Medikamente: Mann hält Verpackung in der Hand
Alkoholentzug-Medikamente: Mann hält Verpackung in der Hand

Entzug von Alkohol mit Medikamenten – der sanfte Weg aus der Sucht

Deutschlandweit leben rund 3 Millionen Menschen mit einer alkoholbezogenen Störung1. Viele Betroffene würden ihren Alkoholkonsum gern in den Griff bekommen, fürchten sich jedoch vor den Entzugserscheinungen. Diese Angst lässt sich aus dem Weg räumen – mit einem qualifizierten Entzug. Dieser verläuft medikamentengestützt und dadurch besonders schonend und sanft. Welche Medikamente beim Entzug von Alkohol eingesetzt werden und worauf es dabei zu achten gilt, erfahren sie nachfolgend.

Was sind Medikamente für Alkoholentzug?

Wenn man von Alkoholentzug-Medikamenten spricht, sind damit alle Arzneimittel gemeint, die während eines Entzugs zur Behandlung von Entzugssymptomen eingesetzt werden. Sie werden durch die S3-Leitlinie zu Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen empfohlen2. Das betrifft sowohl Tabletten, Tropfen und Co., die gegen psychische Symptome des Entzugs helfen, als auch Präparate, die vornehmlich auf körperliche Symptome einwirken. Es gibt aber auch einige Mittel, die sowohl körperliche als auch psychische Entzugserscheinungen lindern. Die nachfolgende Aufschlüsselung hilft, die verschiedenen Medikamentengruppen und Einsatzbereiche besser zu unterscheiden.

  • Clomethiazol
    • Beim Alkoholentzug werden häufig Medikamente mit dem Wirkstoff Clomethiazol eingesetzt3. Dieser Wirkstoff hat eine beruhigende, krampflösende und sedierende Wirkung. Er hilft bei starken Schlafstörungen und verringert die beim Alkoholentzug häufig auftretenden Phasen innerer Unruhe, Erregungszustände, Psychosen und Delirien. Da Clomethiazol allerdings selbst ein hohes Abhängigkeitsrisiko besitzt und unerwünschte Nebenwirkungen hervorrufen kann, darf der Wirkstoff nur vorübergehend und unter kontrollierten Bedingungen während eines stationären Aufenthaltes in einer Suchtklinik zur Anwendung kommen.
    • Grundsätzlich wird das Mittel nach Bedarf verabreicht und die Dosierung spätestens nach 7-10 Tagen sukzessive verringert. Die Höhe der Dosierung ist individuell verschieden und von der Stärke der Entzugserscheinungen abhängig, was sich über die AES (Alkoholentzugssyndrom-Skala) objektivieren lässt. Jedoch ist Clomethiazol nicht für alle Patienten geeignet. Kontraindikationen für Arzneimittel mit Clomethiazol sind:
      • kardiopulmonale Erkrankungen (Herz-Lungen-Krankheit)
      • Ateminsuffizienz
      • obstruktive Atemwegserkrankungen
      • schwere Nierenschäden
      • schwere Leberschäden
  • Benzodiazepine
    • Als Alternative zu Clomethiazol stehen Ihnen für den Alkoholentzug Medikamente mit anderen Wirkstoffen zur Verfügung, zum Beispiel Benzodiazepine wie Diazepam oder Oxazepam. Auch diese besitzen eine beruhigende, krampfhemmende und angstlösende Wirkung und werden weltweit im Alkoholentzug eingesetzt. Allerdings birgt Diazepam, wie alle Benzodiazepine, ein hohes Suchtpotenzial, so dass die Zufuhr zustandsgerecht und zügig verringert werden muss. Grundsätzlich sollten Benzodiazepine – je nach Ausprägung der Symptome – nicht länger als 5 bis 14 Tage eingenommen werden. Von einer Verlängerung der Einnahme ist aufgrund möglicher Nebenwirkungen abzuraten.
  • Clonidin
    • Die Behandlung mit dem Wirkstoff Clonidin stellt eine weitere Alternative dar. Dieses Mittel reguliert die vegetativen Symptome während des Entzugs wie Schwitzen, Zittern und Herzrasen, die durch den Wegfall der Alkoholwirkung entstehen. Dabei hat es jedoch quasi keine sedierende Wirkung und bietet keine krampfverhütende Wirkung. Deshalb wird Clonidin eher bei leichten Entzugssymptomen verabreicht oder mit Clomethiazol oder Benzodiazepinen kombiniert.
  • Betablocker
    • Zur Normalisierung des Herzschlags können zusätzlich sogenannte Betablocker eingesetzt werden. Diese Mittel haben allerdings keine sedierende und auch keine krampfhemmende Wirkung und sind deshalb eher zur Linderung spezifischer Entzugssymptome wie Herzrhythmusstörungen geeignet. Sie werden entsprechend häufig mit anderen Alkoholentzug-Medikamenten kombiniert.
  • Weitere Medikamente, die bei einem Alkoholentzug eingesetzt werden können
    • Bei einem Alkoholentzug können Tabletten und Medikamente gegen verschiedene Symptome eingesetzt werden. Präparate, die abgesehen von den bereits genannten, laut S3 Leitlinie als empfehlenswert erachtet werden können, sind:
      • Antikonvulsiva (zur Verhinderung von Krampfanfällen)
      • Antipsychotika (zum Beispiel Haloperidol gegen Wahnvorstellungen und Halluzinationen)
      • Tiapridex (gegen leichte bis mittelschwere Symptome des Entzugs)
      • Thiamin (zur Prophylaxe gegen Wernicke Enzephalopathie)
Alkoholentgiftung: Gespräch mit Arzt
Alkoholentgiftung: Gespräch mit Arzt

Warum werden Medikamente bei Alkoholentzug eingesetzt?

Ein chronisch hoher Alkoholkonsum führt langfristig zu funktionellen und strukturellen Veränderungen im Gehirn des Menschen. Vereinfacht gesagt, gewöhnt sich das zentrale Nervensystem an die Wirkung des Rauschmittels und passt sich dementsprechend an. Hört der Suchtkranke nun auf, Alkohol zu trinken, gerät die durch die Anpassungen erzeugte chemische Balance erneut durcheinander. Dies wiederum erzeugt beim zentralen Nervensystem Stress, was sich in den typischen körperlichen und psychischen Symptomen (auch als Alkoholentzugssyndrom bekannt) äußern kann.

Die medikamentöse Behandlung zielt darauf ab, die Auswirkungen des Trinkstopps im Gehirn zu dämpfen. Deshalb besitzen viele Wirkstoffe, die im Rahmen der Therapie eingesetzt werden, eine sedierende Wirkung. Auf diese Weise werden die körperlichen und psychischen Folgen, die normalerweise durch die Umstellung des Gehirns hervorgerufen würden, gemildert. Der Patient leidet unter weitaus geringeren Symptomen, teilweise kann er den Verzicht auf den Alkoholkonsum dank der medikamentösen Therapie vollkommen beschwerdefrei durchstehen.

Kann man mit Alkoholentzug-Medikamenten ohne ärztliche Begleitung vom Alkohol loskommen?

Viele Menschen, die unter einer Alkoholabhängigkeit leiden, würden die Erkrankung am liebsten ohne fremde Hilfe überwinden. Einige Betroffene entscheiden sich deshalb für einen kalten Entzug, bei dem sie komplett auf eine ärztliche Begleitung verzichten. Von dieser Entzugsvariante kann nur abgeraten werden! Das Risiko für lebensgefährliche Entzugskomplikationen (Delirium tremens, Krampfanfälle) sowie die Abbruchquote sind sehr hoch.

Erfolgversprechender ist ein ärztlich begleiteter Entzug – vor allem auch, weil sämtliche wirkungsvollen Arzneimittel im Alkoholentzug verschreibungspflichtig sind. Vor der Einnahme der Medikamente werden Kontraindikationen geprüft, mögliche Nebenwirkungen abgeschätzt und eine individuelle Dosierung festgelegt.

Muss die Gabe von Alkoholsucht-Medikamenten ärztlich überwacht werden?

Wenn Patienten mit einer Alkoholabhängigkeit ihren Alkoholkonsum beenden, ist bei den meisten Betroffenen von der Entwicklung einer belastenden Entzugssymptomatik auszugehen. Die wenigsten leiden lediglich unter leichten Kopfschmerzen oder anderen Symptomen, die sich leicht mit rezeptfreien Medikamenten aus der Apotheke behandeln lassen. Werden bei einer Abhängigkeit von Alkohol Tabletten im Entzug eingesetzt, handelt es sich meist um wirkungsstarke Arzneimittel, die eine Reihe von Nebenwirkungen auslösen können. Eine strenge ärztliche Überwachung ist deshalb unbedingt sicherzustellen.

Alkoholsucht-Medikamente bei ambulantem Entzug

Der qualifizierte ambulante Alkoholentzug ist eine vielversprechende Methode, um auch die Patienten mit einer Alkoholabhängigkeit anzusprechen, für die eine stationäre Behandlung nicht in Frage kommt4. Allerdings sind für diese Entzugsvariante nur Patienten geeignet, bei denen keine schwere Entzugssymptomatik zu erwarten ist. Das betrifft häufig Suchtkranke, bei denen die Alkoholabhängigkeit noch nicht lange besteht oder deren Alkoholkonsum insgesamt als niedrig eingestuft werden kann.

Werden bei einer Sucht nach Alkohol Medikamente im Entzug ambulant eingesetzt, empfehlen sich grundsätzlich Benzodiazepine mit einer kurzen Wirkdauer wie etwa Oxazepam. Dabei bekommt der Patient ein sogenanntes Einnahmeschema mit, an das er sich strikt zu halten hat. Ergänzend dazu können weitere Arzneimittel verabreicht werden. Der Einsatz von Clomethiazol ist beim ambulanten Setting jedoch umstritten und gilt unter den meisten Experten außerhalb einer stationären Behandlung als kontraindiziert5.

Alkoholsucht-Medikamente bei stationärem Entzug

Patienten, die ihre Alkoholabhängigkeit mithilfe einer qualifizierten Behandlung in einer Klinik überwinden möchten, können von der gesamten Bandbreite an zur Verfügung stehenden Medikamenten profitieren. Auch hier ist natürlich eine Überwachung durch die erfahrenen Ärzte erforderlich. Die gilt insbesondere mit Blick auf

  • potenziell gefährliche Nebenwirkungen
  • optimale Dosierung
  • eventuell vorhandenes Suchtpotenzial der Wirkstoffe
  • bestehende (chronische) Grunderkrankungen
  • Folgeerkrankungen des Alkoholmissbrauchs
  • Einnahme sonstiger Arzneimittel

Ist trotzt Alkoholentzug-Medikamenten eine Entwöhnung erforderlich?

Im Rahmen einer stationären Therapie erleichtern Arzneimittel in erster Linie die körperliche Entgiftung vom Alkohol. Die psychische Komponente der Alkoholabhängigkeit wird dabei nicht angegangen. Um sich dauerhaft aus der Sucht zu lösen, sollten Patienten unbedingt eine Therapie zur Entwöhnung durchführen. Ein qualifizierter Entzug besteht deshalb immer aus einer Entgiftung und einer Entwöhnung.

Ist die Einnahme von Medikamenten nach dem Alkoholentzug notwendig?

Viele Menschen, die von Alkohol abhängig sind, denken, dass sie lediglich mit dem Trinken aufhören und eine Entgiftung durchführen müssten, um ihre Alkoholabhängigkeit hinter sich zu lassen. Tatsächlich ist das nicht korrekt: Wer über Jahre hinweg große Mengen Alkohol trinkt, fördert die Ausbildung eines sogenannten Suchtgedächtnisses. Dieses Suchtgedächtnis sorgt unter anderem dafür, dass auch Alkoholiker, die eigentlich mit dem Trinken aufgehört haben, häufig noch immer ein starkes Verlangen nach Alkohol verspüren. Dieses kann langfristig zu einem Rückfall führen.

Deshalb gibt es verschiedene Alkoholentzug-Medikamente, die auch nach einer Behandlung in einer Klinik bzw. als Ergänzung zur Nachsorge-Therapie eingenommen werden können – allen voran Acamprosat und Naltrexon: Beide Wirkstoffe wirken auf das zentrale Nervensystem ein und sollen bei der Aufrechterhaltung der Abstinenz unterstützen, indem sie etwa die Wirkung von Alkohol oder das Verlangen nach dem Alkoholkonsum reduzieren. Für beide Arzneimitteln konnte die Wirksamkeit in verschiedenen Studien nachgewiesen werden6.

Sie sollten jedoch immer im Zusammenspiel mit einer Therapie verordnet werden und sind umso wirksamer, je höher die Abstinenzmotivation der Betroffenen ist.

Quellenliste

1 DHS Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. „Alkohol – Zahlen, Daten, Fakten“, https://www.dhs.de/suechte/alkohol/zahlen-daten-fakten (Datum des Zugriffs: 18.10.2022)

2 Kiefer, Hoffmann, Petersen, Batra (Hrsg.) “Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen”, Springer Verlag, Heidelberg, 2. Auflage 2022, Die Leitlinie ist auch online verfügbar bei der AWMF: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/076-001.html (Datum des Zugriffs: 18.10.2022)

3 Tölle, Rainer et al. „Warnende Hinweise zur Verschreibung von Clomethiazol (Distraneurin®)“, In: Dtsch Arztebl 1997; 94(5): A-237 / B-189 / C-177, https://www.aerzteblatt.de/archiv/4889/Warnende-Hinweise-zur-Verschreibung-von-Clomethiazol-(Distraneurin-)( (Datum des Zugriffs: 18.10.2022)

4 Hintz, Thomas et al. „Qualifizierter ambulanter Alkoholentzug: Enge Kooperation zwischen Hausarzt und psychosozialer Beratung – Ergebnisse eines Modellprojektes“, In: Dtsch Arztebl 2005; 102: A 1290–1295 [Heft 18], https://www.aerzteblatt.de/archiv/47255/Qualifizierter-ambulanter-Alkoholentzug-Enge-Kooperation-zwischen-Hausarzt-und-psychosozialer-Beratungsstelle-Ergebnisse-eines-Modellprojektes (Datum des Zugriffs: 18.10.2022)

5 Gensthaler, Brigitte „Arzneimittel im Entzug und danach“, PZ Pharmazeutische Zeitung, https://www.pharmazeutische-zeitung.de/arzneimittel-im-entzug-und-danach-118965/ (Datum des Zugriffs: 18.10.2022)

6 aerzteblatt.de „Alkoholismus: Acamprosat und Naltrexon in Meta-Analyse gleichwertig“, https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/58669/Alkoholismus-Acamprosat-und-Naltrexon-in-Meta-Analyse-gleichwertig (Datum des Zugriffs: 18.10.2022)

Suchen & Finden

Suchtklinik suchen

Umkreis