Schmerzmittel-Abhängigkeit

Wichtiges in 30 Sek.

  • Einige Medikamente gegen Schmerzen können Suchterkrankungen auslösen.
  • Besonders hoch ist das Abhängigkeitsrisiko bei Opioiden wie Fentanyl.
  • Eine Schmerzmittel-Abhängigkeit entwickelt sich meist schleichend.
  • Es besteht ein hohes Risiko für Mehrfachabhängigkeit und Überdosierung.
  • Ein qualifizierter Entzug ist eine sichere Methode, um sich aus der Sucht zu lösen.

Was versteht man unter Schmerzmittel-Abhängigkeit?

Unter Schmerzmittel-Abhängigkeit wird eine Suchterkrankung verstanden, bei der Betroffene eine psychische und/oder körperliche Abhängigkeit ausbilden und die Kontrolle über die Einnahme des Medikaments verlieren. Die Erkrankung wird vor allem durch psychoaktive Medikamente aus der Gruppe der Opioide ausgelöst.

Wie viele Menschen sind hierzulande schmerzmittelabhängig?

In Deutschland nehmen rund 1,9 Millionen Menschen täglich Medikamente gegen Schmerzen, sogenannte Analgetika, ein. Schätzungen gehen davon aus, dass rund 1,6 Millionen Menschen hierzulande bereits unter einer Schmerzmittelsucht leiden1.

Welche Arten von Schmerzmitteln gibt es?

Es gibt verschiedene Arten von Schmerzmitteln, die rezeptfrei oder mit ärztlicher Verschreibung in der Apotheke erhältlich sind. Die am häufigsten angewandten Analgetika lassen sich in drei Gruppen unterteilen:

Saure antipyretisch-antiphlogistische Analgetika

  • Acetylsalicylsäure
  • Diclofenac
  • Ibuprofen
  • Naproxen

Nicht-saure antipyretische Analgetika

  • Paracetamol
  • Metamizol

Opioide Analgetika

  • Morphin
  • Tramadol
  • Fentanyl
  • Buprenorphin

Wie wird man von Schmerzmitteln abhängig?

Das Risiko, eine Abhängigkeit von Schmerzmitteln zu entwickeln, besteht vor allem bei der Einnahme von Opioiden. Hierbei handelt es sich um Medikamente, die eine direkte Auswirkung auf die Hirnchemie haben: Indem die Wirkstoffe an spezielle Rezeptoren im zentralen Nervensystem binden, beeinflussen sie die Ausschüttung von Botenstoffen sowie die Weiterleitung von Schmerzsignalen. Das Gehirn kann sich an diesen Effekt gewöhnen.

Darüber hinaus können Opioide Nebeneffekte haben, die das Abhängigkeitsrisiko verstärken. So führt die Einnahme bei manchen Menschen zu einer verbesserten Stimmungslage und regelrechten Glücksgefühlen (Euphorie). Untersuchungen haben gezeigt, dass depressive Störungen ein Risikofaktor für Opioidgebrauchsstörungen sein können2. Hier besteht eine Gefahr für missbräuchlichen Konsum, der in eine Schmerzmittelsucht führen kann.

Wie erkennt man eine Schmerzmittel-Abhängigkeit?

Schmerzlindernde Medikamente sind für viele Menschen mit chronischen Schmerzen essenziell, um ihre Lebensqualität zu verbessern. Allerdings kann sich, auch bei ordnungsgemäßer Einnahme mit einer vom Arzt verordneten Dosis, langfristig eine Schmerzmittel-Abhängigkeit ausbilden. Umso wichtiger ist es, die typischen Anzeichen zu erkennen.

Typische Symptome

Sollten mindestens drei der folgenden Symptome innerhalb eines Jahres gemeinsam auftreten, kann bereits eine Abhängigkeit vorliegen:

  • Starkes Verlangen nach der Einnahme des Medikaments
  • Zunehmende Toleranzentwicklung mit Dosiserhöhung
  • Kontrollverlust bezüglich Einnahmedauer und -häufigkeit
  • Nebenwirkungen bzw. Entzugserscheinungen bei Dosisreduktion
  • Vernachlässigung anderer Lebensbereiche
  • Fortgesetzte Einnahme trotz negativer Begleiterscheinungen

Risiken unterschiedlicher Schmerzmittel

Die zuvor beschriebenen, typischen Symptome sprechen in erster Linie für eine Schmerzmittelabhängigkeit von Opioiden. Allerdings können auch nichtopioide Analgetika eine (körperliche) Abhängigkeit auslösen. Eine Schmerzmittelabhängigkeit von Ibuprofen, Paracetamol und Co ist zwar weitaus harmloser, trotzdem sollten Betroffene mit ihrem Arzt besprechen, wenn sie Anzeichen einer Abhängigkeit an sich feststellen.

Welche Risiken birgt die Abhängigkeit von Schmerzmitteln?

Medikamente bergen Risiken und Nebenwirkungen – Analgetika bilden hierbei keine Ausnahme. Im Zusammenhang mit einer Schmerzmittelabhängigkeit rücken vor allem Opioide in den Fokus. Der andauernde Gebrauch kann schwerwiegende Konsequenzen haben, die von sozialer Isolation und Stigmatisierung bis hin zu Überdosierung und Tod reichen3. Darüber hinaus besteht ein erhöhtes Risiko für die Ausbildung von Mehrfachabhängigkeiten, bei denen weitere Medikamente, Alkohol und/oder Drogen konsumiert werden.

Ein abschreckendes Beispiel für die möglichen Folgen des Missbrauchs opioider Medikamente zeigt sich seit einigen Jahren in den USA, wo die sogenannte Opioid-Krise jedes Jahr mehrere zehntausend Todesopfer forderte. Schätzungen gehen davon aus, dass in den USA alle fünf Minuten ein Mensch an einer Überdosis Drogen verstirbt. Von den mehr als 100.000 Drogentoten starb innerhalb eines 12-monatigen Zeitraums in den Jahren 2020/21 die deutliche Mehrheit an den Folgen der Wirkung des Schmerzmittels Fentanyl4.

Wie kann man einer Schmerzmittelabhängigkeit vorbeugen?

Bei starken, chronischen Schmerzen gehören opioide Analgetika zu den wichtigsten Medikamenten. Sie sollten jedoch stets nur so lange wie nötig und in der geringstmöglichen Dosis eingenommen werden. Patienten sollten sich während der Behandlung regelmäßig mit dem Arzt abstimmen und prüfen, ob sie das Arzneimittel wirklich weiterhin nehmen müssen.

Darüber hinaus sollten Betroffene sofort Hilfe suchen, wenn sie das Gefühl haben, dass sie von den Präparaten abhängig werden.

Wird die Wirkung nicht mehr benötigt oder zeigen sich Anzeichen einer Toleranzentwicklung, können Betroffene das Medikament nach Rücksprache mit dem Arzt langsam ausschleichen, um das Risiko für opioidinduzierte Schmerzen und Entzugserscheinungen zu senken, und auf andere Schmerzmittel umsteigen.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei einer Schmerzmittel-Abhängigkeit?

Eine Schmerzmittelsucht lässt sich bei entsprechender Motivation des Patienten gut behandeln. In vielen Fällen kann die Behandlung mit dem suchtauslösenden Medikament langsam abdosiert werden.

Der Arzt, der das Präparat ursprünglich verschrieben hat, begleitet diesen Prozess. Wichtig ist, dass Patienten das Mittel nicht einfach so absetzen, da ein „kalter Entzug“ schwere körperliche und psychische Symptome hervorrufen kann.

Qualifizierter Entzug in einer Klinik

Für Patienten, die bereits seit Jahren unter einer Medikamentenabhängigkeit leiden, ist der stationäre Entzug besser geeignet als ein ambulantes Ausschleichen. In einer qualifizierten Therapie erfolgt die langsame, medikamentengestützte Entgiftung des Körpers mit anschließender psychischer Entwöhnung. Hier identifizieren Betroffene individuelle Suchtursachen und erarbeiten Verhaltensalternativen, um auf die Wirkung der Schmerztabletten zukünftig verzichten zu können.

Wichtig: Wer sich für eine professionelle Therapie entscheidet, sollte stets darauf achten, dass in der jeweiligen Klinik auch der Schmerz, d. h. der Grund für die Medikamenteneinnahme, adäquat behandelt wird. Dasselbe gilt für etwaig vorhandene Mehrfachabhängigkeiten und weitere Begleiterkrankungen, da diese anderenfalls einen Rückfall provozieren können.

Wo finden Betroffene und Angehörige Hilfe?

Patienten, die befürchten, von Schmerzmedikamenten abhängig zu sein, sollten sich als erstes an ihren behandelnden Arzt wenden. Alternativ gibt es suchtmedizinisch geschulte Psychotherapeuten, die Hilfestellung geben können. Auch Suchtberatungsstellen bieten Unterstützung. Sie können beispielsweise über Möglichkeiten der Behandlung einer Medikamentenabhängigkeit informieren.

Eine weitere Option ist der Direktkontakt zu einer spezialisierten Sucht- bzw. Entzugsklinik. Private Fachkliniken bieten häufig eine besonders schnelle, unbürokratische Aufnahme, sodass die Entzugsbehandlung ohne Verzögerung begonnen werden kann. Abzuraten ist immer von einem kalten Entzug, bei dem Patienten die Schmerzmedikamente eigenmächtig absetzen.

Quellenliste

1 Leyk, Dieter et al. „Schmerzmittelkonsum im Sport“, In: Dtsch Arztebl Int 2023; 120: 155-61; DOI: 10.3238/arztebl.m2023.0003, https://www.aerzteblatt.de/archiv/230125/Schmerzmittelkonsum-im-Sport (Datum des Zugriffs: 19.03.2024)

2 Just J, Petzke F, Scherbaum N, Radbruch L, Weckbecker K, Häuser W. Kritische Auseinandersetzung mit neuen Daten zur Prävalenz von Opioidgebrauchsstörungen bei Patienten mit chronischen Schmerzen in Deutschland [Critical discussion of new data regarding prevalence of opioid use disorder in patients with chronic pain in Germany]. Schmerz. 2022 Feb;36(1):13-18. German. doi: 10.1007/s00482-021-00582-1. Epub 2021 Sep 10. PMID: 34505947; PMCID: PMC8821065, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8821065/ (Datum des Zugriffs: 19.03.2024)

3 Just J, Mücke M, Bleckwenn M: Dependence on prescription opioids—prevention, diagnosis and treatment. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 213–20, DOI: 10.3238/arztebl.2016.0213, https://www.aerzteblatt.de/archiv/175573/Abhaengigkeit-von-verschreibungspflichtigen-Opioiden (Datum des Zugriffs: 19.03.2024)

4 Brand, Katrin „US-Jahresbericht: Zahl der Drogentoten auf Höchstwert“, 12.05.2022, https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/drogentote-usa-101.html (Datum des Zugriffs: 19.03.2024)