Wie motivieren Sie Patienten, die aufgrund mehrerer Entzugsversuche verzweifelt sind?
Frau Dr. Mahlmeister
Rezidive sind kein Versagen seitens des Patienten; nur die Allerwenigsten schaffen den Weg aus der Suchtspirale auf Anhieb. Durch das Suchtgedächtnis ist die Abhängigkeit von einer bestimmten Substanz eine chronische Krankheit, die mit Fallen und Aufstehen verbunden ist, aber bei stabiler Abstinenz dennoch eine hohe Lebensqualität bieten kann. In diesem Sinn sind Rückfälle als „Vorfälle“ zu betrachten, aus denen die Betroffenen auf dem Weg zur Enthaltsamkeit lernen und ihre eigene Resilienz aktivieren können. Auch wenn ein oder mehrere Entzüge nicht zum gewünschten „Erfolg“ geführt haben und vorzeitig abgebrochen wurden, handelt es sich nicht um ein Scheitern. Schließlich ist die Sucht so bunt wie wir Menschen, und es gibt nicht den einen goldenen Weg, der alle Betroffenen zur lebenslangen Abstinenz führt. Vielmehr muss analysiert werden, was während der Behandlung nicht funktioniert hat und in einer weiteren Entzugstherapie besser gemacht werden kann. Ärzte und Therapeuten müssen sich mit Fingerspitzengefühl und Empathie in den Suchtkranken hineinversetzen und den für ihn besten Behandlungsweg ermitteln. Dies gilt im Grunde für jedes Krankheitsbild, ist aber bei einer Sucht, die in alle Bereiche des Lebens eingreift, ganz besonders wichtig. Schließlich kann gerade ein bestimmter Aspekt ausschlaggebend für das Gelingen der Abstinenz sein und diese bei einer Nichtbeachtung zum Kippen bringen. Obwohl der Weg aus der Sucht für die meisten Betroffenen mit vielen Stolpersteinen und Lebenskrisen verbunden ist, führt die Krankheit zu innerer Stärke und zur Auseinandersetzung mit sich selbst. Die Suchtkranken entdecken Facetten und Bereiche an sich selbst, die ohne die Abhängigkeit nie zum Vorschein gekommen wären, so dass die Erkrankung im gewissen Sinne zur Bereicherung werden kann.
Herr Dipl. Psych. Winter
Es gilt, die Ressourcen, Stärken und früheren Erfolgserlebnisse des Patienten hervorzuheben und ihm Mut für den Weg in die Abstinenz zu vermitteln. Auch die Erarbeitung von Lebenszielen und Motiven für den Wunsch nach Veränderung spielen eine wichtige Rolle. Hierbei gehört die motivationale Gesprächsführung zu den wesentlichen Aspekten der Suchtmedizin und wird erfolgreich in Behandlungseinrichtungen sowie auf dem Weg in eine Behandlung in den Suchtberatungsstellen angewendet.