Drogensucht

Fentanyl

Das Wichtigste in Kürze:

  • Fentanyl ist ein Opioid, das als starkes Schmerzmittel eingesetzt wird.
  • Es besitzt eine deutlich höhere schmerzstillende Potenz als Morphin oder Heroin.
  • Neben einer starken Wirksamkeit ist das hohe Abhängigkeitspotenzial charakteristisch.
  • Fentanyl-Missbrauch kann schnell zu einer Überdosierung und zum Tod durch Atemdepression führen.
  • Patienten mit Fentanylabhängigkeit sollten sich einem Arzt anvertrauen und das Medikament nicht eigenmächtig absetzen.

Was ist Fentanyl?

Bei Fentanyl handelt es sich um einen Wirkstoff aus der Gruppe der synthetischen Opioide. Er wird als Schmerzmittel zur Behandlung starker Schmerzen eingesetzt.

Die schmerzstillende Wirkung von Fentanyl ist gegenüber Morphin um ein Vielfaches erhöht. Das gilt auch für die suchtauslösende Seite der Substanz: Fentanyl macht sehr schnell abhängig und wird immer häufiger als Droge missbraucht.

Alkoholentgiftung: Gespräch mit Arzt
Alkoholentgiftung: Gespräch mit Arzt

Woraus besteht Fentanyl?

Fentanyl ist ein synthetisches, also künstlich hergestelltes Opioid – genauer gesagt, ein Piperidinderivat. Als solches wurde es in den 1960er Jahren das erste Mal synthetisiert. Seitdem wurde das Opioid mehrfach in Form von sogenannten Derivaten weiterentwickelt, indem Veränderungen an den Molekülstrukturen vorgenommen wurden1. Dadurch sollte die Wirkung der Substanz besser steuerbar werden.

Wofür bzw. wogegen wird Fentanyl eingesetzt?

Genauso wie viele andere Opioide wird Fentanyl als Schmerzmittel eingesetzt. Im Vergleich zu Oxycodon, Morphin oder Tilidin besitzt es jedoch eine deutlich höhere Wirksamkeit. Hierbei spricht man auch von der analgetischen Potenz. Diese ist bei Fentanyl mindestens 80-mal so hoch wie bei Morphin. Deshalb wird Fentanyl als Wirkstoff vor allem dann verordnet, wenn andere Opioide zur Behandlung starker akuter oder chronischer Schmerzen nicht oder nicht ausreichend helfen. Das ist zum Beispiel bei Krebspatienten mit sogenannten Durchbruchschmerzen häufig der Fall. Auch im Rahmen der Anästhesie findet der Wirkstoff Verwendung.

In welcher Form wird Fentanyl eingenommen?

Wie Fentanyl eingenommen bzw. verabreicht wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. In der Notfallmedizin oder der Anästhesie ist ein besonders schneller Wirkungseintritt erforderlich, weshalb der Wirkstoff hier meist intravenös injiziert wird.

Darüber hinaus kann Fentanyl in Tablettenform eingenommen werden, wobei Buccaltabletten, Sublingualtabletten und Lutschtabletten mit verschiedenen Dosierungen zur Verfügung stehen. Weiterhin existieren sogenannte transdermale therapeutische Systeme in Form von Pflastern, die auf die Haut geklebt werden, sodass der Wirkstoff über einen längeren Zeitraum abgeben wird. Eine weitere Verabreichungsform stellen Nasensprays dar.

Wie wirkt Fentanyl?

Fentanyl ist ein schnellwirksames Analgetikum, das neben dem schmerzlindernden Effekt noch weitere Wirkungen entfalten kann. Einige davon werden von den Betroffenen sofort wahrgenommen, andere stellen sich erst mittel- oder langfristig bei chronischem Konsum oder Missbrauch ein.

  • Wirkung von Fentanyl auf den Körper
    • Das Opioid Fentanyl ist eine psychotrope Substanz, welche die Blut-Hirn-Schranke überwindet und im zentralen Nervensystem an verschiedenen Rezeptoren wirkt. Dadurch wird die Weiterleitung von Signalen beeinflusst – in diesem Fall Schmerzsignale. Neben der analgetischen Wirkung besitzt der Wirkstoff eine Reihe weiterer Effekte:
      • Verlangsamung von Atmung und Puls
      • Sedierung
      • Euphorische Stimmung
      • Kann zu Verstopfungen führen2
  • Hohes Abhängigkeitspotenzial bei Missbrauch
    • Die euphorisierende Wirkung macht den Wirkstoff Fentanyl aus medizinischer Sicht besonders gefährlich, weil es den Missbrauch der extrem starken Medikamente fördert. Die missbräuchliche Einnahme des Arzneimittels kann binnen kurzer Zeit zu einer starken körperlichen Abhängigkeit führen.
      Die extremen Auswirkungen des Missbrauchs von Fentanyl als Droge zeigen sich seit einigen Jahren im Rahmen der sogenannten Opioid-Krise in den USA. Hier starben allein im Jahr 2018 rund 32.000 Menschen an einer Überdosis Opioide (darunter Fentanyl)3. Bei falscher Dosierung kann das Opioid unter anderem eine schwere Atemdepression auslösen und zum Tode führen. Zudem bestehen gefährliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, Alkohol und illegalen Drogen.
  • Wirkung von Fentanyl auf die Psyche
    • Durch seine Wirkung auf das zentrale Nervensystem ist die Einnahme des Opioids Fentanyl nicht nur mit einem hohen Risiko für eine körperliche, sondern auch für eine psychische Abhängigkeit behaftet. Gründe dafür liegen nicht nur in der euphorisierenden Wirkung des Arzneimittels, sondern auch in seiner extremen Potenz.
      Das Gehirn wird von der Wirksamkeit der Substanz regelrecht überrollt und gewöhnt sich schnell daran. Dann bildet sich ein sogenanntes Suchtgedächtnis aus, welches dafür sorgt, dass Betroffene wieder und wieder eine neue Dosis einnehmen wollen. Die Gefahr, eine psychische Abhängigkeit gegenüber dem Medikament auszubilden, ist besonders hoch, wenn das Arzneimittel nicht ärztlich verordnet, sondern als Rauschmittel missbraucht wird.
  • Soziale Risiken bei einer Abhängigkeit von Fentanyl
    • Ob unverschuldet, durch eine ungünstige ärztliche Verordnung, oder durch einen Missbrauch als Droge bewusst in Kauf genommen – eine Fentanyl-Abhängigkeit kann auf das eigene Sozialleben dramatische Auswirkungen haben. Da sich das ganze Leben zunehmend auf das Rauschmittel konzentriert, werden alle anderen Lebensbereiche vernachlässigt. Familienprobleme, Schwierigkeiten am Arbeitsplatz und im öffentlichen Leben bis hin zu Jobverlust, sozialer Isolation, Verarmung und Beschaffungskriminalität drohen.
Ecstasy Wirkung: Gehirn symbolisch in Hand
Ecstasy Wirkung: Gehirn symbolisch in Hand

Wann setzt die Wirkung von Fentanyl ein?

Schon eine geringe Menge des Opioids Fentanyl genügt, um eine intensive Wirkung zu erzielen – und das in kürzester Zeit. In der Behandlung starker Schmerzen ist der Wirkstoff deshalb sehr gefragt. Wie schnell Fentanyl-Arzneimittel wirken, hängt von der Darreichungsform und der Dosierung ab – bei Tabletten tritt die schmerzstillende Wirkung beispielsweise erst nach ca. 30 bis 40 Minuten ein, bei Nasenspray innerhalb weniger Minuten4. Dabei liegt die Wirksamkeit dieses starken Schmerzmittels auch bei geringer Dosis deutlich höher als bei Morphin und anderen opioidhaltigen Medikamenten. Dafür ist die Wirkdauer um ein Vielfaches kürzer. Die Fentanyl-Halbwertszeit liegt bei drei bis zwölf Stunden.

Welche Folgen hat die Anwendung von Fentanyl?

Fentanyl ist ein sehr starkes Medikament, das selbst bei kurzfristiger Anwendung Nebenwirkungen hervorrufen kann. Bei mittel- oder langfristigem Gebrauch sind weitere Konsequenzen zu erwarten.

  • Was sind kurzfristige Fentanyl-Nebenwirkungen?
    • Die Liste der kurzfristigen Nebenwirkungen des Medikaments ist lang. Deshalb ist es umso wichtiger, das Arzneimittel stets nach Anweisung des verordnenden Arztes einzunehmen. Eigenmächtige Änderungen an der Dosis können schwerwiegende gesundheitliche Konsequenzen nach sich ziehen. Generell sollte das Opioid niemals ohne ärztliche Indikation eingenommen werden. Folgende kurzfristigen Nebenwirkungen sind bei Fentanyl möglich:
      • Kopfschmerzen
      • Schwindel
      • Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Verstopfung
      • Schlafstörungen
      • Nervosität, Halluzinationen
      • Herzrhythmusstörungen
  • Was sind mittelfristige Fentanyl-Auswirkungen?
    • Bei länger anhaltender Anwendung des Medikaments setzt irgendwann eine Gewöhnung ein. Diese ist das erste Anzeichen für eine Abhängigkeit, die auch als Nebenwirkung vorkommen kann. Betroffene müssen dann die Dosierung erhöhen und mehr mg des Wirkstoffs einnehmen, damit die gewünschte Wirkung gegen die akuten oder chronischen Schmerzen erhalten bleibt. Zudem kommt es zu Entzugserscheinungen, sobald sich die Anwendung des Schmerzmittels verzögert oder ganz ausbleibt. Typisch sind:
      • Übelkeit, Erbrechen, Durchfall
      • Angstzustände
      • Schüttelfrost
  • Was sind langfristige Fentanyl-Auswirkungen?
    • Hat sich die Abhängigkeit verfestigt, dreht sich das Leben der Betroffenen immer mehr um die Einnahme des Arzneimittels bzw. Rauschmittels. Unangenehme Nebenwirkungen werden in Kauf genommen, andere Lebensbereiche zunehmend vernachlässigt. Ist der behandelnde Arzt nicht bereit, das Medikament weiterhin zu verschreiben oder wurde es von vornherein missbräuchlich konsumiert, rutschen viele Betroffene in die Beschaffungskriminalität ab, indem sie sich das Opioid illegal besorgen5. Im Zusammenhang mit der Abhängigkeit steigt auch das Risiko für eine Überdosierung, die zu lebensgefährlichen Nebenwirkungen wie etwa einer Atemdepression führen kann.
Kokain Entzug Dauer: Depressive Frau liegt wach
Kokain Entzug Dauer: Depressive Frau liegt wach

Wann besteht das Risiko einer Fentanylabhängigkeit?

Auch wenn in den Medien häufig von der „Todesdroge Fentanyl“ die Rede ist, sollte man nicht vergessen, dass es sich hierbei eigentlich um ein sehr wichtiges, da überaus wirkungsvolles Medikament handelt. Insbesondere bei tumorbedingten oder postoperativen Schmerzen sorgt das Arzneimittel dort für Erleichterung und Erträglichkeit, wo selbst andere Opioide in ihrer Wirksamkeit versagen. Trotzdem ist die Gefahr einer Abhängigkeit nicht zu leugnen.

  • Risikogruppen
    • Abhängigkeitsgefährdet sind vor allem Personen, die das Schmerzmittel als Rauschmittel einnehmen. Typischerweise werden hierbei illegal verschaffte oder gebrauchte Pflaster verwendet, um den darin enthaltenen Wirkstoff zu konsumieren. Eine exakt dosierte Einnahme ist dabei unmöglich, weshalb das Risiko einer Abhängigkeit zusätzlich verstärkt wird. Darüber hinaus steigt die Gefahr für eine tödliche Dosis.
      Eine weitere Risikogruppe sind chronische Schmerzpatienten, die regelmäßig und über einen längeren Zeitraum hinweg auf das Opioid zurückgreifen. Auch wenn die Dosierung auf wenige mg pro Tag begrenzt und die ärztliche Verordnung gegeben ist, kann sich mit der Zeit ein Gewöhnungseffekt einstellen. Ein kontrolliertes Absetzen bzw. ein langsames Ausschleichen der Anwendung ist deshalb essenziell.
  • Konsumdauer
    • Je länger die Anwendung des Schmerzmittels andauert, umso höher ist das Risiko, dass die betroffenen Patienten eine Suchterkrankung ausbilden. Denn der Gewöhnungseffekt wächst mit jedem neuen Fentanyl Pflaster, das auf die Haut geklebt wird bzw. mit jeder peroralen oder nasalen Gabe. Zur Behandlung tumorbedingter oder postoperativer Schmerzen sollte das Medikament deshalb immer nur so kurz wie möglich verordnet werden.
  • Konsumintensität
    • Wie auch bei anderen psychotropen Medikamenten gilt die Devise, dass eine höhere Dosierung auch schneller zu Veränderungen in der Hirnstruktur und damit zur Ausbildung einer Suchtkrankheit führt. Bei der Anwendung im niedrigen mg-Bereich, wie er im medizinisch-therapeutischen Setting normalerweise gegeben ist, erweist sich das Risiko als relativ gering. In der Rauschgift-Szene, wo Überdosierungen leider an der Tagesordnung sind, gewöhnt sich das Gehirn noch schneller an das Opioid, wodurch sich auch die Ausbildung der Abhängigkeit beschleunigt.

Was sind die Symptome einer Fentanylabhängigkeit?

Das erste Anzeichen einer Abhängigkeit vom Arzneimittel Fentanyl ist oft das intensive Verlangen nach der Anwendung des Medikaments – obwohl man sich eigentlich gerade in einer schmerzfreien Phase befindet. Zusätzlich stellt sich nach den Kriterien aus dem Diagnosemanual ICD-10 häufig ein Gewöhnungseffekt ein6.

  • Gedankenfixierung
    • Die Gedanken kreisen ständig um das Schmerzmittel und die Einnahme findet trotz unangenehmer Nebenwirkungen oder Konsequenzen statt.
  • Entzugserscheinung bei nicht fortgesetzter Dosierung
    • Sollte die Anwendung des Opioids einmal vergessen werden oder zeitlich verzögert erfolgen, treten zudem Entzugserscheinungen auf. Problematisch ist hier, dass diese oftmals den typischen Nebenwirkungen des Medikaments ähneln. Übelkeit, Schwindel und Co. werden daher in vielen Fällen missinterpretiert.
Dauer Alkoholentzug: Frau im Arztgespräch
Dauer Alkoholentzug: Frau im Arztgespräch

Was tun wenn man befürchtet, von Fentanyl abhängig zu sein?

Wichtig: Wer das Gefühl hat, an einer Abhängigkeit von Fentanyl zu leiden, sollte umgehend einen Arzt, eine professionelle Entzugsklinik oder eine Suchtberatungsstelle aufsuchen. Dabei ist es unerheblich, ob die Einnahme im Rahmen einer Therapie oder als Fentanyl-Missbrauch erfolgt ist.

Schon viele Menschen sind an einer Überdosis Fentanyl und der daraus resultierenden Atemdepression gestorben – je früher professionelle Hilfe ansetzt, umso schneller können Betroffene sich aus ihrer Abhängigkeit lösen. Wird das Opioid als Schmerzmittel eingesetzt, ist von einem eigenmächtigen Absetzen angesichts der zu befürchtenden Nebenwirkungen dringend abzuraten.

Quellenliste

1 European Monitoring Centre for Drugs an Drug Addiction „Fentanyl Drogenprofil“, https://www.emcdda.europa.eu/publications/drug-profiles/fentanyl_de (Datum des Zugriffs: 17.08.2022)

2 aerzteblatt.de „Kombipräparat verhindert Verstopfung bei Opioid-Therapie“, https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Kombipraeparat-verhindert-Verstopfung-bei-Opioid-Therapie-386072.html#:~:text=In%20einer%20Befragung%20von%204613,Verstopfung%20stark%20bis%20extrem%20ausgepr%C3%A4gt. (Datum des Zugriffs 07.02.2023)

3 aerzteblatt.de „Opioid-Krise senkt erstmals seit 1993 die Lebenserwartung in den USA“, https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/107060/Opioid-Krise-senkt-erstmals-seit-1993-die-Lebenserwartung-in-den-USA (Datum des Zugriffs: 17.08.2022)